Mimimi-Mittwoch: Groß sein

Mimimi-Mittwoch: Groß sein

Es ist wieder Mimimi-Mittwoch, was für uns bedeutet, es ist mal wieder Zeit, sich über die Sorgen und Probleme des Alltags auszulassen. Doch heute soll es nicht um Situationen gehen, in denen wir uns immer mal wieder ungerne wiederfinden, sondern um etwas was mich zwar noch nicht mein ganzes Leben lang, aber mittlerweile jeden Tag, den ganzen Tag begleitet. Es geht darum, dass ich ziemlich groß bin.

Zuerst sollte ich hier meine Situation ein wenig umreißen, denn während ich diesen Satz tippe, höre ich euch schon leicht genervt aufseufzen: “Das Problem hätte ich gerne.” Und ihr habt ein Stück weit Recht. Ich kann grundsätzlich vorwegnehmen, dass “groß sein” mehr Vorteile als Nachteile mit sich bringt. So kann ich auch für mich festhalten, dass ich lieber ein wenig zu groß, als ein wenig zu klein bin. Und dennoch gibt es oft genug Situationen im Alltag, in denen ich einfach das Gefühl habe zu groß zu sein. Lasst mich erklären…

Was bedeutet “zu groß” sein?

Das ist eine Frage, die sich nicht so ohne Weiteres beantworten lässt und die vermutlich auch Auslegungssache ist. Außerdem ist zu beachten, dass ich hier nur aus meiner Perspektive urteilen kann. Ich weiß nun mal nicht wie es ist, größer oder kleiner als ich zu sein. Doch wie groß bin ich jetzt eigentlich? Mein Ausweis weist mich als 197cm groß aus. Das ist ein wenig kleiner als das Standardmaß der meisten verbauten Innentüren in Deutschland. Dieses beträgt in der Höhe 198,5cm (1985mm). Hier besteht auch schon das erste Problem, denn die meisten Türen umfasst leider nicht alle Türen. Es passiert nicht oft, aber ich stoße mir im Alltag oft genug den Kopf, um bei den meisten Türen vorsichtshalber zumindest ein wenig den Kopf einzuziehen – es mag nicht immer notwendig sein, aber lohnt sich.

Der öffentliche Personennahverkehr

Wenn es nur Türen wären, die mich im Alltag hin und wieder Schmerz verspüren lassen, bräuchte es diesen Artikel nicht. Die mit Abstand häufigste Situation, in der ich mich inkompatibel mit der Alltagswelt fühle, tritt auf, sobald ich einen Zug, Bus oder auch ein Flugzeug betrete. Das Problem wird schnell klar – wo sollen meine Beine hin? Oft genug kann ich mich mit dem mir zugestandenen Platz arrangieren, jedoch meist mit wenig Spielraum. Ein Bein ausstrecken? Fehlanzeige. Die Beine überschlagen? Keine Chance. Mit den Knien nicht die ganze Zeit gegen den Vordersitz drücken müssen? Geht manchmal. Im Zug ist es dabei am angenehmsten und auch Busfahrten über einige Stunden kann ich so recht unbeschadet überstehen. Wo ich jedoch das Gefühl habe, dass ich sowie alle anderen Menschen über 1,90m schlicht und ergreifend vergessen wurden, sind Billigairlines. Glücklicherweise fliege ich sehr selten. Aber länger als eine Stunde an Board eines Easyjet-Flugzeugs zu verbringen würde ich als eine menschenverachtende Aktion einordnen.

Was soll ich anziehen?

Eine Frage, die ich mir jeden Tag auf´s neue Stelle. Zum Glück hat das eher mit meiner ausgeprägten Entscheidungsunfreudigkeit als meiner Größe zu tun. Tatsächlich ist es nicht unmöglich, an anziehbare Mode für große Menschen zu kommen. Jedoch war das auch ein Prozess und ich musste mir über die Zeit ein paar Tricks und Kniffe aneignen, um die richtigen Sachen zum Anziehen zu finden. Darunter zum Beispiel ganz offensichtlich der Blick auf die Größe. Oberteile unter der Größe XL sind für mich so gut wie immer irrelevant. Und das trotz der Tatsache, dass mein Körperbau weniger einem US-amerikanischen Kühlschrank, sondern eher einem Hutständer oder sowas ähnelt. Aber das größere Problem sind Hosen, da mit einem langen Körper auch lange Beine einhergehen. Die meisten Marken produzieren gar keine Hosen in einer ausreichenden Beinlänge. Ein kleiner Trostpreis sind allerdings meine Füße, denn ein großer Körper bedeutet nicht auch gleich große Füße.

“Spielst du eigentlich Basketball?”

Worüber ich mich wirklich glücklich schätzen kann, ist das äußerst geringe Maß an Diskriminierung, was großen Menschen – zumindest in meiner Erfahrung – zu Teil wird. Besonders verglichen mit Menschen, die aufgrund ihrer Figur oder vermeintlich zu geringen Körpergröße im Alltag diskriminiert werden, kann ich mich diesbezüglich fast schon als privilegiert bezeichnen. Oft ist es sogar umgekehrt – Menschen sind teilweise sogar neidisch auf meine Körpergröße. Eine Frage verfolgt mich allerdings trotzdem überall hin. “Spielst du [eigentlich] Basketball?” Egal ob entfernte Verwandtschaft, Kommiliton*innen in der Bar oder auch römische Trickbetrüger*innen im Urlaub. Alle denken, dass ich Basketball spielen muss, aufgrund meiner Größe. Zumindest ist das neben “wie groß bist du?” in den Top 5 Small-Talk-Fragen, die ich so kassiere. Doch auch hier muss ich relativieren und festhalten, es hätte mich auch deutlich schlimmer treffen können.

Problem oder Chance?

Das “Problem des Großseins”, wie ich es im Vorfeld beschrieben habe, würde ich gar nicht so bezeichnen. Zumindest ist es kein Problem in der Hinsicht, dass ich auf der Suche nach einer Lösung bin – die gibt es gar nicht (zumindest keine realistische). Lösungsansätze für die kleinen Probleme, die mir im Alltag so begegnen, habe ich für mich gefunden. Abgesehen davon bin ich mit mir und meiner Körper sehr zufrieden. Außerdem habe ich gar nicht von den ganzen Möglichkeiten gesprochen, die ich durch meine Größe habe. Ganz klassisch angefangen bei Dingen, die auf dem obersten Regal oder oben im Schrank liegen oder dem recht guten Überblick in großen Menschenansammlungen.

Außerdem geht mit Äußerlichkeiten auch immer eine bestimmte Erwartungshaltung der Gesellschaft an das Individuum einher. Wie bereits im vorherigen Absatz angedeutet, sind kleinere Personen (insbesondere die männlich Gelesenen) tendenziell eher Opfer von Diskriminierung aufgrund von Äußerlichkeiten, als sehr große Menschen. Bei weiblich gelesenen Personen könnte es aber auch genau umgekehrt sein. Das ist sehr schade, wie ich finde. Auch bin ich mir nicht sicher, ob ich durch einen solchen Artikel hier diese Tendenz verstärke. In meiner Wunschvorstellung regt dieser Artikel allerdings den Diskurs über Diskriminierung aufgrund der Körpergröße (sowie Äußerlichkeiten allgemein) an und sensibilisiert Menschen bezüglich des Themas.

Beitragsbild: siora18 auf Unsplash

Eine Liebeserklärung ans Spät-Dran-Sein

Eine Liebeserklärung ans Spät-Dran-Sein

Ein Kribbeln im Bauch, ein unverhoffter Glücksmoment, ein wohlig warmes Gefühl. Dafür braucht es nicht immer ein großes Ereignis, vielmehr liegen diese magischen Momente oft verdeckt unter einem Mantel der Gewohnheit und der Selbstverständlichkeit. „Eine Liebeserklärung“ ist unsere Kolumne, in der es darum gehen soll, die vermeintlich einfachsten Dinge dieser Welt wertzuschätzen. Mit ihr bauen wir euch eine zynismusfreie Nische, in die sich hineingekuschelt werden kann, wenn der Alltag einem mal wieder die Daunendecke der guten Laune zu klauen versucht. In diesem Beitrag soll es um die Liebe zum Spät-Dran-Sein gehen.

Das Gefühl, wenn man sich eigentlich zu spät auf den Weg gemacht hat, aber trotzdem noch pünktlich ankommt, ist unbeschreiblich. Es ist wie ein Wettrennen, das man soeben gewonnen hat. Auf einmal fällt die ganze Anspannung ab und zurück bleibt ein Glücksgefühl, das die ganze Aufregung der letzten Minuten komplett wieder wett macht. Man kann also gar nicht anders, als gut gelaunt irgendwo anzukommen – und das ganz ohne Absicht.

Spät dran sein != zu spät sein

Spät dran zu sein heißt also nicht gleich auch zu spät zu sein – zu spät zu sein ist furchtbar und das versuche ich ja eben durch Beeilung zu umgehen. Da hätte man das Wettrennen ja verloren und das Glücksgefühl bliebe aus, um den obigen Vergleich fortzuführen. Natürlich ist es immer auch ein gewisses Risiko, doch mal zu spät zu sein, aber das ist eben das Pokern mit der Zeit und den Ampelphasen (zum Glück ohne Geldeinsatz).

3 gute Gründe fürs Spät-Dran-Sein:

  1. Spät dran zu sein ist immer auch eine Möglichkeit für ein bisschen Alltags-Fitness. Es ist Sport mit einem Nutzen, abseits von körperlicher Fitness. Dies mag für einige genau der Grund sein, weshalb sie nicht gerne spät dran sind, und das ist auch völlig in Ordnung, aber für mich bedeutet es eine Prise Sport an einem Tag, an dem ich mir sonst keine Zeit dafür nehmen würde. In Greifswald sind es nun einmal etwas kurze Wege, aber auch hier kann man meistens ein paar Minuten rausholen und ab und zu neue Bestzeiten für einzelne Strecken setzen.
  2. Man muss (meistens) nicht auf Freund*innen warten. Natürlich ist es nicht unbedingt nett, wenn diese stattdessen auf einen selbst warten müssen, aber daher kommt man ja auch nicht (viel) zu spät. Ich für meinen Teil frage mich allerdings immer, ob ich auch am richtigen Ort bin, wenn ich mal die Erste bin, und dieses verwirrende Gefühl kann ich ja ganz einfach umgehen – und meistens kommen meine Freunde sowieso selbst zu spät und dann kann man natürlich genauso gut darauf spekulieren.
  3. Durch das Spät-Dran-Sein bleibt mehr Zeit zum Fertigwerden. Ja, dieses eine mal zu viel snoozen morgens bringt einem ganz, ganz viel – zumindest rede ich mir das in dem Moment ein. Aber ich kann es mir ja leisten, wenn ich dann gleich mit dem Fahrrad in Höchstgeschwindigkeit fahre – ich mag es übrigens lieber mit dem Fahrrad spät dran zu sein, als zu Fuß. Einmal, als mein Fahrrad kaputt war, musste ich überall hin laufen und obwohl ich mich jedes Mal früher als sonst auf den Weg gemacht habe, war ich doch immer spät dran, weshalb ich schnell angefangen habe, überall hin zu joggen. Auf dem Fahrrad ist es dann doch weniger auffällig, wenn man spät dran ist.

Aber mal ehrlich, Spät-Dran-Sein ist nicht immer super. Ich bin nämlich immer spät dran und das auch bei irgendwelchen Aufgaben, wie für Klausuren lernen. Ich brauche da einfach den Druck und den Stress um irgendwas gebacken zu kriegen. Und bei den paar Malen, die ich doch mal pünktlich aufbreche, muss ich feststellen, dass es doch auch ganz schön ist, mal keinen Stress zu haben. Aber es ist schwer, sich zu ändern und bis dahin werde ich mich weiterhin mit dem Spät-Dran-Sein arrangieren und das Beste draus machen.

Beitragsbild: Simon Wierzba auf Unsplash

Umgekrempelt: Spieglein, Spieglein von der Wand

Umgekrempelt: Spieglein, Spieglein von der Wand

Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns sieben Tage als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.

Er hängt in jedem Bad, schmückt die Wände jedes Fahrstuhls und ist namensgebend für eines der wichtigsten Nachrichtenmagazine: Der Spiegel. Gedanklich schenken wir ihm wenig Beachtung – welche Bedeutung er für uns hat, fällt wie so oft erst auf, wenn er aus unserem Leben verschwindet. Das musste auch ich feststellen, als eines Tages ein vorheriges WG-Mitglied unseren verspiegelten Badschrank mitnahm. Seitdem kann ich nicht mehr in den Spiegel schauen. Nicht aus Scham, sondern aus Bequemlichkeit. Mein ganzes Leben war ich ohne Den Spiegel ausgekommen, wieso also nicht ganz ohne Spiegel? Ob das wirklich so einfach war oder ich mir damit nur etwas vorspiegelte, sollte sich bald zeigen.

Die ersten Tage

Es sieht seltsam aus im Bad. Die Wand überm Waschbecken ist leer – und damit eigentlich nicht besonders spannend. Doch obwohl es da nichts zu sehen gibt, bleibt mein Blick immer wieder an dieser Stelle hängen. Ich kann nichts dagegen tun. Unheimlich. Schaue ich sonst so oft in den Spiegel? Ich halte mich wirklich nicht für besonders eitel, in meinem Kopf habe ich immer nur nach dem Haarewaschen zum Bürsten in den Spiegel gesehen. In der Realität muss ich eben diesen Kopf bei jeder Gelegenheit betrachtet haben – und sei es nur für einen kurzen Moment. Hoffentlich geht das bald weg, ich komme mir leicht dämlich vor.

Neue Gewohnheiten

So langsam sinkt mein Interesse an der weißen Wand. Dafür fallen mir plötzlich überall spiegelnde Oberflächen auf. Der Wasserhahn, die Herdplatte, die Lampe im Badezimmer,… – gefühlt sehe ich mein Spiegelbild häufiger als vorher. Und fast jedes Mal, wenn ich es sehe, streiche ich mir durch die Haare. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dadurch auch nicht groß anders aussehen als vorher (wirklich prüfen kann ich diese Hypothese mithilfe der mir zur Verfügung stehenden “Spiegel” nicht, zumal ich ja versuche, auch da nicht hineinzusehen). Trotzdem erwische ich mich immer wieder dabei.

Gedächtnistraining

Meine Haare nicht sehen zu können, ist wirklich das Schlimmste. Auf mein Gesicht achte ich irgendwie gar nicht, auch nicht in den Pseudospiegeln. Das werde ich schon nicht verlieren. Aber obwohl ich meine Haare eigentlich nach einem festen Rythmus wasche, habe ich bisher oft durch einen Blick in den Spiegel festgestellt, ob sie wieder fällig sind. Das fällt jetzt natürlich weg. In meiner Handykamera nachzuschauen fühlt sich nach einer Niederlage an, dazu bin ich zu stolz. Leute fragen geht auch schlecht: “Sag mal, sehen meine Haare eigentlich aus, als hätte ich sie heute waschen müssen?” Wer traut sich schon, da mit ja zu antworten? Zumal es dann ja eh schon zu spät wäre. Ich muss mich also auf meinen eigenen Kopf verlassen. Trotz der ganzen Dinge, die er mich unfreiwillig machen lässt. Das ist gar nicht so einfach, weiter als “also gestern habe ich sie jedenfalls nicht gewaschen” reichen meine Erinnerungen meist nicht zurück. Oft muss ich ziemlich rätseln, bis ich von “dieser einen acht Uhr Vorlesung, in der ich mit nassen Haaren saß” auf das letzte Mal komme, als ich meine Haare gewaschen habe.

Die Außenwelt

Ob ich nach außen hin gerade anders wirke als vorher, kann ich schlecht beurteilen. Irgendwie ist es mir aber auch egal. Wenn andere sich an womöglich zerzausten Haaren stören, ist das schließlich ihr Problem. Ich selbst bekomme das gar nicht mehr mit, weil ich es ja nicht sehe. Irgendwie hat das etwas sehr Befreiendes. Ich höre einfach auf, mir Gedanken darüber zu machen, wie ich gerade aussehe. Jedes Mal, wenn ich doch irgendwo auf einen Spiegel stoße, komme ich in eine Art kindliches Staunen: Sowas, da bin ja ich! Wie ich dabei genau aussehe, nehme ich kaum noch wahr.

Wieder Zuhause

Über einen Monat bin ich ohne Spiegel ausgekommen, als ich in den Semesterferien heimfahre. Hier hat sich nichts verändert – außer mir vielleicht? Am ersten Abend mache ich blöde Faxen vor dem Badezimmerspiegel. Lächerlich, wie viel Spaß ich dabei habe. Ansonsten füge ich mich schnell wieder in den Alltag hier ein. Wenn schonmal ein Spiegel da ist, braucht man ihn ja nicht komplett zu ignorieren. Nur den Spiegeln außerhalb des Bades schenke ich keine Beachtung mehr. Seltsam, dass andere Familienmitglieder die sehr wohl benutzen, plötzlich fällt es mir schwer, den Sinn dahinter zu sehen. Ich sage aber nichts – wozu soll ich ihnen einen Spiegel vorhalten, wenn sie das selbst schon tun?

Inzwischen bin ich wieder in Greifswald. Dass hier nach wie vor keine Spiegel hängen, habe ich trotz der Zeit daheim kaum wahrgenommen. Anscheinend habe ich mich inzwischen echt entwöhnt. Und dabei bleibt es auch. Mir kommt so schnell kein Spiegel mehr ins Haus – und sei es nur, um ihn nicht putzen zu müssen.

Beitragsbild: Luis Villasmil auf Unsplash

Digitaler Minimalismus oder 5 Minuten Lesezeit um in Zukunft für immer Zeit zu sparen

Digitaler Minimalismus oder 5 Minuten Lesezeit um in Zukunft für immer Zeit zu sparen

Das Lebenstempo steigt und um den erlebnisreichen Alltag im Griff zu haben, versuchen wir durch zahlreiche Apps und Tools unseren digitalen Alltag zu vereinfachen. Aber führt das wirklich zu einer Erhöhung der Lebensqualität?

Der Begriff Minimalismus entstammt dem japanischen traditionellen zen-buddhistischen Konzept und bedeutet ursprünglich, das Leben zu vereinfachen und in Ordnung zu halten. Es kann in den unterschiedlichsten Facetten auftreten, von der Architektur bis zum Modedesign.

Digitalisierung hat auch Vorteile

Manchmal kann es sehr hilfreich sein, Alltagsprobleme schnell mit einer App lösen zu können. Einige Apps wie Notruf-Apps können im Ernstfall lebensrettend sein oder rechtzeitig vor Katastrophen warnen, beispielsweise Echo112 oder Nina. Solche Apps sind aber nicht allzu weit verbreitet und auf der Startseite der gängigen Appstores befinden sich in der Regel Social Media Apps wie Instagram oder TikTok und Datingapps wie Tinder.

Doch hier stellt sich mir bereits die Frage, ob ich das alles überhaupt brauche und welchen Preis ich für das digitale Dasein zahle.

Psychologische Aspekte der sozialen Medien

Soziale Netzwerke haben doppelseitige psychologische Wirkungen. Einerseits bringen sie Zufriedenheit, weil man sich mit der Welt verbunden fühlt und immer Kommunikationspartner*innen findet. Anderseits haben diese Interaktionen kurzfristigen Charakter und hinterlassen Fake-Gefühle. Reale soziale Interaktionen werden dadurch nicht ersetzt und natürlich werden durch Alltagsgespräche eigene kommunikative Fähigkeiten verbessert. Diese Flut an Informationen überfordert den Kopf mit exzessiven Nachrichten, was schließlich zum Burnout führen kann.

Wenn man sich mehr mit dem Thema beschäftigen möchte, kann im Buch “Digitaler Minimalismus: Besser leben mit weniger Technologie” von Cal Newport mehr erfahren. Er erklärt dort, wie man gut mit Medien und Technologien umgehen kann. Besonders hilfreiche Tipps möchte ich hier vorstellen.
Zuerst kann man die Nutzungszeit der jeweiligen Apps abchecken. Noch eine gute Option (von mir) für besonders abhängige Smartphone-Nutzer*innen ist es, die Nutzungsdauer, -frequenz und ein Nutzungslimit festzulegen. Das Prinzip des Reduzierens ist nicht gleichbedeutend mit minimalistischem Konsum, sondern vernünftiger. Weil Arbeit ohne Technologie heute kaum noch vorstellbar ist – vor allem für Menschen, deren Geschäft von sozialen Netzwerken und digitalen Ressourcen abhängt. Hier gilt es – quasi wie bei einem digitalen Frühjahrsputz, zu optimieren und zu entscheiden, wovon man sich zuerst verabschiedet. Dazu zählen auch Fotos und Videos in der Galerie. Alles was zu alt ist oder kaum verwendet wird, kann man in Clouds hochladen und dort behalten.

Dateien und Ordner einheitlich zu benennen ist auch immer hilfreich. Für viele ein wortwörtlich ersichtlicher Tipp, aber man kann mit eindeutigen Dateipfaden wertvolle Zeit sparen.

Ein zweiter Tipp von Cal Newport: Die Zeit der Mediennutzung zu begrenzen oder sogar eine Pause – einen “Tech-Free Day” – zu machen und erst danach langsam wieder zum Gerät zu greifen. Digital Detox kann sehr schwer für Süchtige sein, weil es zu Abgeschiedenheit führt, wodurch man mehr Zeit in der Auseinandersetzung mit sich selbst verbringt und so schnell wieder auf die Idee kommt, Ablenkung zu suchen. Die Benachrichtigungen müssen auf jeden Fall ausgeschaltet sein. Ein großer Vorteil ist, dass diese Distanz das sogenannte Divergent Thinking (abweichendes Denken) aktiviert – eine positive methodische kreative Denkweise. Dies funktioniert allerdings erst dadurch, dass der Informationskonsum fehlt und man sich von den Ideen anderer befreit. Die Methode ermöglicht im Endeffekt, mehrere Lösungen für das jeweilige Problem zu finden. Die einfachste Möglichkeit dies zu erreichen, ist, das Smartphone mit einem “Backsteinhandy” zu ersetzen, wodurch das Einprasseln von Informationen drastisch weniger sein wird. Und natürlich ist es auch wichtig, mehr Zeit im Freien zu verbringen.

Letztendlich ist es Jeder und Jedem von euch selbst überlassen, ob und wie ihr ein Stück digitalen Minimalismus in euren Alltag integrieren möchtet. Vieles spricht dafür, weil man auf die kleinen Wunder des Alltags fokussiert bleibt und weniger Stress vom chaotischen Informationscluster abkriegt. Aber man muss seine Balance zwischen beidem finden, weil versessen die Daten sortieren und Speicherplatz reinigen und gleichzeitig auf aktuellste ausschlaggebende Informationen zu verzichten einen schnell ins Steinzeitalter katapultieren kann.

Beitragsbild: Daniel Nebreda auf Pixabay