Während ihres mit Seminaren und Vorlesungen gefüllten Studiums fällt es Studierenden oft schwer, sich auch noch auf außeruniversitäre Vorhaben zu konzentrieren. Doch dadurch gehen ihnen wichtige Erfahrungen verloren: Sie können beispielsweise keine Erfahrung im Bereich der Projektplanung sammeln oder lernen, komplexe Arbeitsprozesse zu koordinieren. Das Übersetzungsprojekt Neue Nordische Novellen V (webmoritz berichte auch über Nr. IV) hatte den Grundgedanken, die universitäre Lehre mit berufsrelevanten Tätigkeiten zu verbinden.

In Kleingruppen oder alleine übersetzten die Studierenden Prosa und Lyrik aus Nord- und Osteuropa, um sie hinterher in einem etablierten Verlag zu veröffentlichen. Das Projekt richtete sich an Studierende der Baltistik, Fennistik, Skandinavistik und Slawistik. Das Projekt lief in drei Phasen ab. Im Dezember 2015 wurde ein erstes Treffen organisiert, um zu schauen, wer an einer Mitarbeit interessiert wäre. Es fanden sich etwa zwanzig Studierende, die aus dem Schwedischen, Norwegischen, Dänischen, Finnischen, Lettischen, Litauischen und Estnischen übersetzen konnten. Über die Weihnachtsferien erhielten alle den Auftrag, nach Texten über „Grenzen“ zu suchen. Dieses Thema sollte zunächst einen groben Rahmen für die Suche bilden. Mit der Förderung durch die interStudies entstand die Idee, eine/n zweite/n Herausgeber/in mit ins Boot zu holen. Slata Kozakova, die Vergleichende Literaturwissenschaften studierte, im Pommerschen Literaturverein aktiv war und Kontakte ins Koeppenhaus hatte, war die geeignete Person dafür. In der zweiten Phase trat das Projekt, obwohl es sich noch im Entstehen befand, an die Öffentlichkeit. Das war im Februar 2016 (bis Juni 2016). Neben der Erstellung eines Facebook-Auftritts wurden in zwei Sendungen bei „Radio 98 Eins“ erste Übersetzungen präsentiert. Einen Verlag fand man mit Reinecke & Voß – ein „Fachverlag für Horizonterweiterung“, der darauf abzielt, wenig gehörte Stimmen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Und dazu gehören eben viele Autorinnen und Autoren aus Nord- und Osteuropa, die ohne engagierte Übersetzerinnen und Übersetzer wohl niemandem zugänglich gemacht werden könnten. Das Projekt hatte die Absicht, Studierende auf ebenjene Rolle des engagierten Vermittlers zwischen den Kulturen vorzubereiten oder ihnen zumindest einen Einblick in eine solche Rolle zu ermöglichen. Nun sollten zwei Bücher erscheinen: eines mit Lyrik, eines mit Prosa. Zuvor wurde mit großem Aufwand und großer Sorgfalt an den Texten gefeilt. Die Lyrik-Premiere fand am 14.12.2016 im Koeppenhaus, die Prosa-Premiere am 18.02.2017 im Falladahaus statt. Zu beiden Veranstaltungen wurden am Projekt beteiligte AutorInnen eingeladen, die aus ihren Texten lasen und über ihr Schreiben sprachen: Der schwedische Lyriker Malte Persson präsentierte nicht nur seinen neuen Band Om Ofissim (dt. Über Ofissim), sondern gab auch Auskunft über seine Heine-Übersetzungen; die norwegische Kurzprosa-Autorin Maria Kjos Fonn las aus ihrer Erzählung Love, Leen und sprach über ihren ersten Roman, an dem sie gerade schreibt.

Die Neuen Nordischen Novellen in Leipzig

Am 24.3.2017 wurden die Neuen Nordischen Novellen gleich an drei Orten im Rahmen der Leipziger Buchmesse präsentiert: Im Hugendubel in der Altstadt, im Literaturcafe hinZundkunZ und anschließend in der Lyrikbuchhandlung in Lindenau. Der Verleger Bertram Reinecke sprach über die Merkmale und Besonderheiten der beiden Bücher, die Übersetzerin Yvonne Bindrim sowie die Mitherausgeberin Slata Kozakova lasen aus ausgewählten Texten und beantworteten Fragen des Publikums. Es wurden verschiedene Gruppen von Zuhörerschaft erreicht; während im Hugendubel vor allem ältere, allgemein an Literatur interessierte Menschen anwesend waren, konnten die beiden Bücher im hinZundkunZ vor Leipziger Studenten und in der Lyrikbuchhandlung vor professionellen Verlegern und Lyrikern vorgestellt werden. Auf dem Messegelände lagen die Bücher der Neuen Nordischen Novellen am Stand des Verlages Reinecke&Voß aus. Die Neuen Nordischen Novellen wurden damit erstmals außerhalb der Region und als eigenständige literarische Einheiten bekannt.

 

Text: Matthias Friedrich/MichaelFritsche, Foto: Dmitriy Stepanov