3. Dezember 1998. Die Menschen feiern: Es ist geschafft! Die Nachrichtenagenturen gaben vor einer Viertelstunde bekannt, dass das geplante Freihandelsabkommen zwischen den Staaten der OECD nicht zustande kommen wird. Der massive Widerstand aus der Bevölkerung hatte Erfolg.

Ein Kommentar von Stefan Lukas

Nachdem ein Jahr zuvor bekannt geworden ist, dass die Regierungen an einem Abkommen arbeiten, das massive Auswirkungen auf den Alltag eines jeden Bürgers in Europa und Nordamerika haben wird, organisierte sich in vielen Staaten der Widerstand gegen das sogenannte Multilaterale Investitionsabkommen (MAI). Mit Freihandel und dem Abbau von Zöllen hatte dieses Abkommen allerdings wenig zu tun. Vielmehr sollte es um die Liberalisierung des Marktes gehen. Was als „Gleichheit auf dem Markt“ tituliert wurde, bedeutete nichts anderes als die Privatisierung der bisher noch größtenteils staatlichen Einrichtungen in den Sektoren Bildung, Gesundheitswesen, Wasserversorgung und vielen anderen Bereichen.
Betrachtet man die damaligen Kernelemente des MAI, dann steht da sowas wie „Private Schiedsgerichte“ (ISDS), „Regulatorische Kooperation zur Harmonisierung“ und nur ein „begrenztes Mitspracherecht der Kommunen und Staaten“. Jeder dieser Begriffe lässt erkennen, dass die von der EU-Kommission lobgepriesene Freihandelswelt alles andere als demokratisch werden sollte. Und dennoch: Exakt die gleichen Kernelemente machen auch die heutigen Freihandelsabkommen CETA, TTIP und Co. aus. Anscheinend hat sich weder das Wesen der EU-Kommission noch das einiger konservativer und wirtschaftsliberaler Abgeordneter geändert.
In Zeiten, in denen immer neue Gefahren für eine demokratische und tolerante Gesellschaft drohen, gibt es jedoch einen Lichtblick. Als letztes Jahr 250.000 Menschen in Berlin auf die Straße gingen, um gegen die Freihandelsabkommen zu demonstrieren, zeigte dies eines: Die zum Teil als träge und abgestumpft gescholtene Gesellschaft scheint doch bereit zu sein, für ihre Grundwerte auf die Straße zu gehen. Und noch mehr: Europaweit hat die Europäische Bürgerinitiative (EBI) gegen TTIP und CETA mehr als 3,5 Millionen Menschen dazu gebracht, ihre Stimme zu erheben. Außerdem haben sich 2000 Städte und Regionen in Europa den Kampf gegen die Freihandelsabkommen auf die Fahnen geschrieben und erst vor kurzem wurde die größte Sammelklage in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichtes eingereicht. Es sind diese Signale, die hoffen lassen.
Eine besondere Rolle kommt nun den Politikern in den Hauptstädten Europas und in Brüssel zu. Gibt man den lockenden Angeboten der Wirtschaft nach oder stimmt man gegen die Freihandelsabkommen und handelt damit im Sinne der großen Mehrheit der Bevölkerung, von der man gewählt wurde?
Heute, am 17. September 2016, gehen in den großen Metropolen unserer Republik wieder Hunderttausende auf die Straße, um zum Ausdruck zu bringen, dass die verbliebenen demokratischen Grundwerte nicht mehr zum Wohle einiger Weniger beschnitten werden dürfen. Das Scheitern des MAI im Jahre 1998 zeigt uns, dass es sich lohnt, für diese Grundwerte zu kämpfen. Dieses Mal sollte sich die Geschichte wiederholen.

Beitragsbild: foodwatch via flickr (CC-BY-SA 2.0)