Die Idee hinter dem Stück ist simpel: Man kombiniert Ballett und Rockmusik, damit die Frauen ihre Männer nicht zum Mitkommen zwingen müssen. Das Konzept geht auf. Neben mir wippt ein Mann mit den Füßen während seine Frau „Bravo“ ruft als der Tänzer auf der Bühne seine Ballerina in einer märchenhaften Pose schweben lässt.

Genauso simpel wie die Idee ist auch die Geschichte des Stücks „Rock´n´Ballet“, das seit dem 10. Juli auf der Freilichtbühne am Greifswalder Museumshafen aufgeführt wird. Ein junger Mann geht in der hektischen Masse des Alltags unter. Er träumt sich in eine Fantasiewelt gefolgt von seiner eigenen Versuchung und seinem Schatten. Wie sollte es anders sein, trifft er bei seiner tänzerischen Reise auf eine junge Frau. Ein verzaubertes Duett zwischen den beiden zu „Nothing Else Matters“ und das war es dann auch schon. Der Traum endet wieder mit der Szene vom Anfang. Es ging der Dramaturgin Marie Henrion also eher um das Choreografieren von Ballett auf Rockmusik als einer tieferliegenden Interpretation. Das ist ihr gelungen. In der Zusammenarbeit mit dem Stettiner Ensemble der Oper im Schloss haben die Greifswalder Künstler des Theater Vorpommerns in nur sechs Wochen ein außergewöhnliches Stück erarbeitet. Gerade die Kombination der beiden Tanzkompanien macht den Reiz hierbei aus, denn mit dem Ballett ist es wie mit den Dialekten – schon drei Orte weiter wird vieles anders gemacht. Obwohl auch dieses Mal drei der vier Hauptrollen mit den Greifswalder Solisten Margaret Howard, Leander Veizi und Nathan Cornwell besetz wurden, bringt der polnische Einfluss neue Bewegungen. Besonders auffällig wird das bei der ersten Passage nach der Pause als Disco-Hippies und Bondage-Boys zu einem Remix von „Everyhing Counts“ einen Robo-Dance in Perfektion absolvieren. Gleichzeitig bricht dieser Abschnitt mit der ansonsten sehr stimmigen Zusammenstellung der einzelnen Tänze.

Hut ab

Klar, die Musik der Rocklegenden wie beispielsweise Pink Floyd, The Rolling Stones und Led Zeppelin war schon immer gut. Schwieriger ist es da schon die unter die Haut gehenden Klänge in Bewegung umzusetzen, doch auch das ist hier zu weiten Teilen gelungen. Die wahre Hochachtung gilt an diesem Abend aber den Tänzern, denn es ist bitter kalt. Das Publikum sitzt längst mit Decken umwickelt in der Dunkelheit, während auf der Bühne die nackten Beine geschwungen werden. In der zweiten Hälfte muss Margaret Howard, die das junge Mädchen verkörpert, dann aber doch ein Paar Socken überziehen. Neben der Windfestigkeit beeindruckt vor allem die authentische Mimik der Tänzer, die das normalerweise festgefrorene Lächeln so mancher Ballerina ersetz. Freude, Trauer, Grübeln, Enttäuschung – jede Regung findet sich wieder. Brillant sind, obwohl ja gerade die Rockmusik das Besondere sein soll, die Momente des Tanzes in denen die Töne aus den Lautsprechern verstummen. Synchrone Bewegungen ohne Musik sind besonders schwer, werden aber am Hafen mit Bravour gemeistert. Auch wenn die Partylaune auf der Stubnitz im Hintergrund wärend so mancher lyrischer Szene ein Schmunzeln bei den Gästen verursacht.

Tanzpremieren

Ab und an erinnert der Tanz zwar eher an Musicaldance als an modernes Ballett, aber das macht wohl den wenigsten etwas aus. Spätestens bei dem getanzten Kanon zu „We Will Rock You“ ist das alles vergessen. In Erinnerung bleibt auch das liebevolle männliche Duett zwischen dem jungen Mann, getanzt von Leander Veizi, und seinem Schatten Jakub Gut. Und das ganz ohne Tutu und die obligatorische Frau. Ja, auch zwei Männer in Hebefiguren und körperlichen Verschlingungen können verzaubern. Als Sahnehaube oben drauf gibt es dann auch noch eine getanzte Verbeugung und eine Zugabe wie bei einem echten Rockkonzert.

Fazit des Abends: Queen lässt sich am schönsten in Ballett verwandeln.

 

Foto: Lisa Klauke-Kerstan