geschrieben von Constanze Budde

Der StadtImPuls ist nun seit Sonntag vorbei. Einen Monat Kultur zum Anfassen, Mitmachen, Erleben sind zu Ende. Wir blicken noch einmal ein wenig zurück: Die Jam-Session fand am 2. Juli 2015 statt. Hier ein “Nachklang” des StadtImPulses, der die Zirkuszeltatmosphäre kurzzeitig wieder aufleben lässt.

Das Zelt ist dunkel – und leer. Auf der Bühne stehen ein paar Percussions ordentlich aufgereiht und von den Scheinwerfern in gemütliches Wohnzimmerlicht getaucht. Und trotzdem wirkt es so, als stünde das alles da nur zur Deko, das einzige, was fehlt, ist ein Schild: „Kunst: Bitte nicht berühren.“ Aber das wäre tatsächlich unnötig – schließlich ist keiner da, der eine der Trommeln oder Rasseln in die Hand nehmen könnte. Niemand außer mir.

Es ist schon nach 20 Uhr. Eigentlich sollte hier seit einer Viertelstunde die Jam-Session stattfinden. Aber das dauert offensichtlich noch.

Ukulele, Kazoo und Steeldrum

Gegen halb neun wagen sich dann doch eine Handvoll Leute auf die Bühne. Publikum ist keins da. Macht aber nichts. Ich sitze inmitten von Leuten, die scheinbar wahllos irgendeins der Instrumente greifen, und nach „Kann hier vielleicht jemand Ukulele spielen?“ und schulterzuckendem „Nöh, nicht gescheit“ entsteht eine sehr individuelle und freie Interpretation von Over the rainbow – mit Ukulele, Kazoo und Steeldrum.

Und während sich zu oben genannten Instrumenten zeitweise noch eine Nasenflöte dazugesellt, wird von irgendwoher ein Verstärker herangeschafft und eine E-Gitarre angeschlossen.

Mittlerweile zu sechst auf der Bühne in chilliger Beleuchtung entfalten sich alsbald Töne, die zur Zeltdecke emporsteigen und viel Platz lassen für persönliche Entfaltung und dennoch harmonisches Zusammenspiel. In nicht enden wollenden Melodien, die stilistisch mit Leichtigkeit zwischen Blues, Reggea und Indie hin und her wandern, verliere ich mich in Rhythmen und Riffs. Beizeiten wechseln wir die Instrumente mitten im Stück – wobei die Grenze zwischen dem einen und dem nächsten Lied nicht immer klar zu erkennen ist. Alles ist Klang. Alles ist Musik. Und, ganz wichtig: Alles und jeder ist Instrument und Klangkörper.

Ich finde heraus, dass zwei abgebrochene Parkettleisten ein großartiger Ersatz für Drumsticks sind. Auf einmal kann ich sogar Musikstile, die ich vorher noch nie gespielt habe.

Die Ausrede „Kenn ich nicht, kann ich nicht“ zählt nicht. Mit Trommel und Rassel kann jeder umgehen. Und wer es trotzdem nicht wagt, summt einfach mit. Die Jam-Session erlaubt alles.

Die Musik muss weitergehen!

Schließlich kommt sogar noch instrumentelle Verstärkung. Ein E-Piano, ein Akustik-Bass, noch mehr Trommeln – eine Trompete! Die Instrumente werden aufgebaut, untermalt von den fortwährenden Klängen aus Kazoo, Gitarre und Steeldrum. Die Musik muss weitergehen! Klavier und Bass gesellen sich, sobald sie an Verstärker angeschlossen sind, einfach dazu. Es herrscht rege Bewegung auf der Bühne. Fliegender Instrumentenwechsel.

Tatsächlich stehen nun auch vor der Bühne einige Zuhörer, die dieses Treiben beobachten. Auf Wunsch des Publikums entsteht ein spontaner Indie-Rap mit Reggea-Elementen, der von Elefanten handelt.

„Hinter’nander laufen sie, warum? In einer Reihe durch den Wald. Töröö!“

Ich trommle. 1 und 2 und 3 und 4. Bumm, tschick. „Töröö, töröö.“

Über Elefanten gibt es viel zu erzählen, der Rap geht über die radioüblichen zweieinhalb Minuten lange hinaus. Ich trommle weiter.

Frage aus dem Publikum: „Kann man von euch eine CD kaufen?“ Nein – das hier ist pur, wirklich. Die reinste Form von Musik. Das lässt sich unmöglich pressen.

Irgendwann sagen schmerzende Sehnen in meinen Armen, dass ich nun genug getrommelt habe, ein Blick auf die Uhr verrät mir zudem, dass es schon verdammt spät ist. Auf der Bühne wird noch weiter gespielt. Von Moll nach Dur, triolisch, harmonisch und rhythmisch, vor allem aber mit ungebrochener Begeisterung.

Diese Freude nehme ich mit, als ich das klingende Zelt nun verlasse und durch die Nacht nach Hause fahre. Zur Vervollkommnung der guten Stimmung hat jemand den Mond wie eine Laterne an den Himmel gehängt und aus der Uferböschung am Ryck singt es aus vielen kleinen Stimmen. Alles klingt. Musik liegt in der Luft.

 Beitragsbild: Katrin Haubold