von Isabel Kockro und Michael Bauer

Bereits die umherziehende Ausstellung „Körperwelten“ löste starke Kontroversen aus. Als es hieß, es wird eine „Körperwelten“-Ausstellung in Form eines Museums erschaffen, fielen die Reaktionen ähnlich aus.  Der webmoritz. hat sich für euch in die Hauptstadt begeben, um der umstrittenen Ausstellung einen Besuch abzustatten.

Am 18. Februar 2015 eröffneten die Doktoren Gunther von Hagens und Angelina Whalley in Berlin das “Menschen Museum”, das wie zuvor die umherziehende Ausstellung „Körperwelten“ Präparate menschlicher Organe und Körper zeigt. Wobei der Begriff des Präparats hier eher durch den des Plastinats ersetzt werden muss. Worin der Unterschied besteht? Im Herstellungsverfahren und der Optik. Als  von Hagens sich bereits 1977 eine Reihe von Präparaten ansah, die in Kunststoff eingegossen waren, stellte er sich die Frage nach einer besseren Methode, organisches Material zu konservieren und für die Betrachtung herzurichten. Nach einem Verfahren, bei dem nicht ein ganzer Kunststoffblock nötig ist, um darin einen Körper oder ein Organ aufzubewahren. Ihm kam die Idee, den Kunststoff in die Zellen zu injizieren, sodass die Körper von innen stabilisiert werden. Die Zellinhalte, die eine Zersetzung des organischen Materials fördern, wie beispielsweise Körperflüssigkeiten, werden dabei entfernt, um eine lange Haltbarkeit des Plastinats zu gewährleisten. Bis auf diese Art und Weise ein vollständiger menschlicher Körper zum ausstellungsbereiten Plastinat hergerichtet wird, vergehen nicht weniger als 1.500 Arbeitsstunden. Das bisher größte Plastinat stellt übrigens ein Elefant dar, der allerdings nicht im Menschen Museum, sondern im Rahmen der Ausstellung „Körperwelten der Tiere“ präsentiert wird.

 Ein Besuch im Museum

Das größte Anliegen der Ausstellung sei die gesundheitliche Aufklärung, so steht es sinngemäß in einem Informationsblatt des Museums. Hinter einer derartigen Einrichtung, die sich mit der Lage am Fuße des Berliner Fernsehturms zudem eine von Menschenmassen überlaufene Gegend zum Niederlassen gesucht hat, vermutet man zunächst allerdings eher andere, kommerziellere Intentionen. Wir müssen jedoch zugeben, dass sich oben genanntes Ziel vielenorts im Museum bemerkbar macht. Die ca. 200 Teil- und 20 Ganzkörperplastinate geben tiefe Einblicke in Aufbau und Funktionsweise unseres Körpers, zeigen aber auch auf, welche Konsequenzen drohen, wenn wir nicht pfleglich mit uns umgehen. Die Plastinate umfassen dabei noch weitaus mehr nachdenklich stimmende Objekte als die häufig auf Abbildungen und Warnhinweisen zu sehende Raucherlunge. Betrachtet werden können unter anderem auch von Tumoren und Metastasen befallene Organe oder Ausstellungsstücke, die aufzeigen wie sich eine falsche Ernährung auf Körper und Geist auswirkt. Dabei untergliedert sich das Museum in sechs verschiedene Abschnitte, die neben der gerade erwähnten Ernährung Themen vom Bewegungsapparat und den Organen des Menschen über Krankheiten und unseren Körper im Alltag des digitalen Zeitalters bis hin zur Fortpflanzung, dem Einfluss von Stress und dem Streben nach Glücksgefühlen reichen.

Besucherfreundlich ist hier vor allem, dass Museumsgäste nicht auf eine Führung angewiesen sind, wenn sie mehr erfahren wollen als auf den zahlreichen Erklärungsschildern zu lesen ist. Denn jeder Interessent kann sich kostenfrei einen Audioguide ausleihen, der zu einer Vielzahl der Plastinate Erklärungen bereithält. Wer sich Zeit lässt und jede Information mitnimmt, die er nur kriegen kann, sollte für einen Besuch nicht weniger als zwei Stunden einplanen. Nicht zuletzt, weil zu Stoßzeiten wie dem Wochenende zu erwarten ist, dass kleinere Wartezeiten hingenommen werden müssen, bis der gewünschte Blick auf die Plastinate frei wird. Denn der Platz scheint teilweise, wenn auch nicht ungewöhnlich oder übertrieben gering, doch ein wenig eng bemessen zu sein, wenn man von einem Standort wie Berlin-Mitte ausgeht. Personen, die gerne fotografieren wollen, müssen an dieser Stelle leider enttäuscht werden, denn im Normalfall dürfen keine Fotos gemacht werden, was aber angesichts der ethischen Fragen und Kontroversen rund um die Ausstellung nicht überraschen dürfte. Glücklicherweise ist es uns gelungen, eine Fotoerlaubnis zu erhalten, sodass wir euch dennoch einen kleinen Einblick in das geben können, was euch im Museum erwartet.

Woher stammen eigentlich die Körper und Organe?

Wie erwähnt befinden sich im Menschen Museum ca. 220 Plastinate, 20 davon bestehen aus vollständigen, menschlichen Körpern. Daneben existiert aber auch nach wie vor noch die um die Welt ziehende “Körperwelten”-Ausstellung. Woher stammen also die dafür benötigten Körper und Organe? Die Antwort ist simpel – von Spenden. Bereits seit 1982 existiert ein Körperspendeprogramm, aus welchem die Aussteller schöpfen. Damit die Körper oder Organe im Rahmen der Ausstellungen verwendet werden dürfen, verfügen die Spender zu Lebzeiten, dass ihre Körper für die Plastination und Zurschaustellung in der Öffentlichkeit verwendet werden sollen. Die Beweggründe für die Zusicherung einer solchen Spende sind vielfach. Manche wollen schlicht einem guten Zweck dienen, andere sind begeistert von der Plastination oder bekommen bei der Vorstellung der Verbrennung oder Beerdigung ein Gefühl des Unbehagens. Wiederum andere wollen ihren Angehörigen weder Kosten noch Aufwand für die Grabpflege zumuten. So haben sich bisher über 15.000 Menschen, 13.000 davon allein in Deutschland, als Körperspender registriert. Im Dezember letzten Jahres belief sich die Zahl der bisher verstorbenen Spender dabei auf 1.506. An Spenden für die Körperwelten und das Menschen Museum dürfte es also weder heute noch zukünftig mangeln.

Fazit

Wer sich für humane Anatomie, Biologie und vielleicht auch Medizin interessiert, wird vermutlich nicht um das “Menschen Museum” herumkommen. Aber auch Personen, die sonst eher andere Interessen aufweisen als sich mit dem eigenen Körper auseinanderzusetzen, sollten zumindest einmal abwägen, ob sie beim nächsten Aufenthalt in Berlin nicht doch die 14 Euro Eintritt (für Studenten 12 Euro) investieren wollen. Sicher, der Eintrittspreis ist ziemlich happig. Vor allem wenn man bedenkt, dass man in ungefähr 90 Minuten alles gesehen hat, vorausgesetzt man bleibt nicht an wirklich jeder Station stehen und lauscht den Kommentaren des Audioguides. Aber beeindruckend ist es schon zu sehen, was sich unter der eigenen Haut befindet und es mutet zugegebenermaßen auch ein wenig seltsam an, stellt man sich vor, dass das, was man sich da nun ansieht, vor nicht allzu langer Zeit noch durch die Gegend lief, sich unterhielt, vielleicht mit dem Fahrrad oder dem Auto zur Arbeit oder zum Supermarkt fuhr. Dementsprechend muss auch jeder für sich selbst entscheiden, ob es hinnehmbar ist, dass Leichen zur Betrachtung in Szene gesetzt und in Pose gebracht werden oder nicht. Selbiges betrifft ebenfalls die Ausstellung von einer Schwangeren mit ihrem ungeborenen Kind. Hier scheiden sich die Geister und wir wollen die verschiedenen Meinungen auch nicht bewerten, müssen aber sagen, dass wir es allemal als sehr interessant empfunden haben.

Fotos: Isabel Kockro