Seit mehr als zwei Jahren wird an der Universität Greifswald die Plagiatserkennungssoftware turnitin verwendet. Nun ist sie auch für Studierende nutzbar. Wie das Ganze funktioniert, was so ein Programm tatsächlich leistet und für wen es eine Hilfe ist, erklärt moritz.

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Die Arbeiten werden mit der Plagiatserkennungssoftware turnitin auf unerkenntliche Zitate untersucht – ähnlich wie der Gepäckscanner am Flughafen das Gepäck auf unerlaubte Gegenstände durchleuchtet.

 

 

 

 

 

Zurück in der Vorlesungszeit heißt es für einige Studenten: Ab ins Sekretariat und die korrigierten Klausuren oder Hausarbeiten abholen. Hoffentlich hat man keine Fehler gemacht und alles verständlich geschrieben – aber was, wenn nun doch ein Plagiat darunter war? Seit dem 1. Januar 2012 verwendet die Universität Greifswald die Plagiatserkennungssoftware turnitin. Dieser Dienst überprüft auf dem Server des amerikanischen Anbieters iParadigms hochgeladene Dokumente auf identische Textstellen in den Arbeiten anderer Autoren. Neuerdings ist die Software auch für Studierende verfügbar. Der Zugriff erfolgt über die Open-Source Lernplattform Moodle. Ein schneller Log-in mit den Benutzerdaten für das Selbstbedienungsportal, schon kann man seine Prüfungsarbeit auf ungewollte Plagiate untersuchen, bevor man sie beim Dozenten abgibt und eine schlechte Note riskiert.

Auf Nummer sicher

Für Studierende ist turnitin gratis, der kostenpflichtige Jahresvertrag für die Softwarelizenz wird regelmäßig von der Universität verlängert.  Die Preise sind über die Webpräsenz von iParadigms nicht öffentlich einzusehen, sie werden individuell mit jeder Einrichtung verhandelt. Für eine Universität mit 12 000 Studierenden beträgt der Listenpreis rund 13 000 Euro pro Jahr, so der Kanzler der Universität, Dr. Wolfang Flieger. Das Unversitätsrechenzentrum ist verantwortlich für die Wartung und Verfügbarkeit der Software für die Studierenden sowie deren Datenschutz. Eine Testphase erbrachte zufriedenstellende Ergebnisse in der Handhabung, allerdings war der Datenschutz während der ersten Moodlesitzungen nicht gewährleistet, da die hochgeladenen Arbeiten von allen Moodle-Nutzern eingesehen werden konnten. Dieses Problem konnte mittlerweile jedoch behoben werden, wie Professor Ralf Schneider, der Direktor des Rechenzentrums, versicherte. Sofern der Nutzer lediglich den wissenschaftlichen Text ohne Deckblatt oder etwaige Namensangaben auf den einzelnen Seiten hochlädt, können während der Überprüfung auch keine personenbezogenen Daten erhoben werden. Ob man seine Arbeit vor der Abgabe schon mal von turnitin überprüft hat beziehungsweise was dabei herausgekommen ist, erfährt außer einem selbst niemand, auch nicht der Prüfer. Nach sieben Tagen wird das Dokument automatisch aus dem Moodle-System gelöscht. Die Löschung auf dem Server von iParadigms erfolgt gemäß der zwischen der Universität und iParadigms vereinbarten Nutzungsbedingungen unmittelbar nach der Überprüfung.

Was sagen die Professoren?

Was den Gebrauch durch die Lehrkräfte angeht, so ist auch gut ein Jahr nach der Einführung von turnitin noch kein einheitlicher Trend erkennbar. Die Institute der Philosophischen Fakultät beispielsweise haben in unterschiedlichem Ausmaß einen Zugang zur Software beantragt und nutzen diese auch sehr unterschiedlich. Ein Befürworter turnitins ist Professor Patrick Donges, Studiendekan der Philosophischen Fakultät und Professor für Kommunikationswissenschaft. „Ich habe schon Studierende über die Software ‚erwischt‘, sogar bei einer Abschlussarbeit […] Die Konsequenz ist, dass die Prüfung als nicht bestanden gewertet und der Täuschungsversuch dem Zentralen Prüfungsamt gemeldet wird“, meint er.
In der Medizin und Zahnmedizin hingegen gestaltet sich die Nutzung der Software oftmals als schwierig oder gar unsinnig, da es weder schriftliche Hausarbeiten noch Bachelor- oder Masterarbeiten gibt. Lediglich die Doktorarbeiten könnten einer Prüfung unterzogen werden. Diese werden aber in der Regel in deutscher Sprache verfasst, während praktisch die gesamte Fachliteratur auf Englisch geschrieben ist, wie der Studiendekan der Universitätsmedizin, Professor Rainer Rettig bestätigt. Zudem würde es bei den Doktorarbeiten zumeist um die Beschreibung und Diskussion von Ergebnissen oder Befunden gehen, die die Doktoranden selbst im Labor erzielt oder am Krankenbett erhoben hätten. Ein Betrugsversuch in diesem Sinn ist dem Dekan aus seinem Fachbereich bisher nicht bekannt. Die Konsequenzen wären jedoch gravierend, vermutet er.
Die Frage ist, ob die Software hält, was sie verspricht. Können Plagiate durch eine elektronische Überprüfung aufgedeckt werden? Unter Leitung der Professorin für Medieninformatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Professor Weber-Wulff, wurden in den Jahren 2004 bis 2013 bereits sieben Plagiatserkennungssoftware-Test durchgeführt. Bei der letzten Untersuchung im vergangenen März wurden 15 Programme unter anderem mit Wikipedia-Auszügen, Quellen aus Google Books, fremden Schriftsystemen und besonders großen Dateien konfrontiert. Die Tester vergaben kein einziges „sehr gut“, oder „gut“, lediglich drei Programme erwiesen sich als „teilweise nützlich“. Darunter war auch das an der Universität Greifswald genutzte turnitin. Pluspunkte bekam die Software für schnelle Ergebnisse in kurzen Texten, die einfache Handhabung und die automatische Registrierung Hebräischer und Japanischer Schriftzeichen sowie Homoglyphen. Allerdings erwies sich die Überprüfung großer Textdateien als weitaus weniger effektiv, lückenhaft und sehr zeitaufwendig. Immerhin gelang es den Vertreibern, die in vorherigen Tests kritisierten Punkte zu verbessern, wie beispielsweise die Aufnahme weiterer Online-Quellen in ihre Datenbank für den Abgleich und die Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit.

Software ersetzt Rotstift

Zwei wesentliche Probleme bleiben jedoch bestehen: Zum einen werden viele tatsächliche Plagiate weiterhin übersehen, da die Erkennungssoftware nur auf online frei verfügbare Texte zugreifen kann. Hierbei handelt es sich um sogenannte „falsche Negative“. Zum anderen werden augenscheinliche Plagiate angezeigt, die jedoch alltäglichen und oft gebräuchlichen Formulierungen entsprechen, wie beispielsweise „Es ist davon auszugehen, dass…“. Diese Pseudo-Plagiate werden zusammen mit direkten Zitaten als ‚falsche Positive‘ bezeichnet. Zudem ist es in der Vergangenheit vorgekommen, dass mögliche Quellen für die gefundenen Plagiate angegeben wurden, die auf Spam-Seiten mit pornografischem Inhalt verwiesen.
Während auf der Vollversammlung der Studierendenschaft in Wintersemester 2012/2013 noch aktiv gegen die Verwendung der Plagiatssoftware Turnitin an der Universität Greifswald mobil gemacht wurde, ist es in der Hochschulpolitik mittlerweile ruhig geworden um das Thema. Damals berief sich die Vollversammlung auf einen Beschluss des Studierendenparlaments vom 3. Juli 2012, der insbesondere die datenschutzrechtliche Basis für die elektronische Prüfung und die erzwungene Einverständniserklärung kritisierte, der zumindest alle Studierenden der neueren Studienordnungen ab 2012 ausgesetzt sind. Desweiteren fiel das Argument des Generalverdachts, unter den Studierende gestellt werden würden, sowie die Fragen nach der Datenspeicherung und der Fehleranfälligkeit der Software.
Der Plagiatserkennungssoftware-Test 2013 bestätigt: Die Programme finden lediglich identische Textstellen und dienen somit als Hilfsmittel, keinesfalls aber als Prüfstein. Automatisch generierte Plagiatsberichte sollten daher mit Vorsicht genossen und von den zuständigen Prüfern nicht unkommentiert hingenommen werden.

„Natürlich ist es sinnvoll, eine Plagiatserkennungssoftware nicht nur punitiv, sondern auch präventiv und didaktisch einzusetzen. Vor diesem Hintergrund hat die Universität Greifswald – ich glaube, damit sind wir ganz weit vorne – die Möglichkeit eingerichtet, dass unsere Studierenden ihre Arbeiten selbst bei turn-itin hochladen und prüfen können, bevor sie sie bei ihrem Prüfer abgeben. Denn das eigentliche Ziel der ganzen Prüferei besteht ja nicht darin, Plagiate zu erkennen. Das ist nur das Instrument. Das Ziel besteht darin, Plagiate zu vermeiden.“
Dr. Wolfgang Flieger, Kanzler der Universität

Den Artikel schrieben Laura Hassinger und Vincent Roth. Die Grafik stammt von Katrin Haubold.