Fremd_TheaterVorpommern2014Was ist fremd und was macht es mit mir? Mit dieser Frage setzten sich fünf Wochen lang Schüler aus zwei Schulen auseinander. Das Besondere: Die Stralsunder Grünthal-Schule lud die Berliner Hector-Peterson-Sekundarschule ein, sich gemeinsam diesem Thema zu nähern. Und was könnte fremder sein als für Berliner die “kopftuchfreie” Stralsunder Ostsee, und für Stralsunder der laute Melting-Pot Berlin-Kreuzbergs?

Das Ergebnis dieses Projekts ist ein anderthalbstündiges Tanztheater, das am 19. Februar in Greifswald aufgeführt wurde. Verschiedene Motive traten dabei in den Vordergrund: Grenzen und abgrenzen, gemeinsam und vereinsamt: Die 14- bis 15-jährigen Schüler gingen in Schattenbox-Manier aufeinander los, teilten die Bühne mit Pappschildern und demonstrierten – und zeigten damit, was für sie “fremd sein” bedeutet.

Waren es letztes Jahr noch nur die Stralsunder Schüler, die mit dem Choreographen-Team von perform(d)ance in “Mein Name ist Mensch” auftraten, hatte die diesjährige Produktion den verbindenden Charakter eines Schüleraustauschs, wenn nicht sogar eines innerdeutschen Kulturtreffens der anderen Art. Arabisch anmutende, musikalische Elemente ließen den Graben zwischen den Kulturen deutlich werden. Das zeigte sich vor allem in einem türkisch-deutschem Intro und auch in einer Abgrenzung innerhalb der Choreographie.

Tanzschritte zeigen die Unterschiede

Befragt man die Berliner Schüler, seien für sie vor allem die Tanzschritte verschieden. “Wir wollen uns anpassen, aber die Stralsunder lassen uns nicht.” Und doch zeigten sich Gemeinsamkeiten der zwei Kulturen wie der zwei Schulklassen, für die das Theater und das Tanzen zu Beginn das gemeinsam “Fremde” war.

Fremd_2_Tanzbild

Auch dass Fremdheit zu Konflikten führen kann, wurde tänzerisch dargestellt.

Sowohl die Stralsunder Grünthal-Schule als auch die Hector-Peterson-Sekundarschule aus Berlin Kreuzberg sind Schulen, die eher von Kindern aus einkommensschwachen Schichten besucht werden. Die Kreuzberger Schule nimmt auch an einem “School-Turnaround” mit Vorbild in New York teil, mit dem die Schule gezielt bei der Förderung und Integration des “Brennpunkts Kreuzberg”, beziehungsweise seiner Schüler unterstützt werden soll.

All diese Hintergründe merkt man den Schülern nicht an: Man sieht 120 motivierte Jugendliche, die in fünf Wochen etwas geschafft haben, wovon viele nur träumen können: Ein modernes Tanztheater, trainiert von acht internationalen Choreographen, eigens komponierter Musik und einem gefesselten Publikum. Und was haben die Schüler davon? Einer der Berliner Schüler sagt: “Wir kriegen drei Wochen davon als Praktikum angerechnet.” Und eine Woche ihrer Ferien sei auch drauf gegangen.

Bisher gab es vier Aufführungen in Stralsund und zwei in Greifswald, bevor am 26. März das Projekt noch in Berlin einmal zu sehen sein wird.

Fotos: Theater Vorpommern