Seit etwa sechs Jahren kämpft der Kultur- und Initiativenhaus e.V. um die Rettung des Konzert- und Gemeinschaftshauses in der Stralsunder Straße 10. Nach jahrelangem Kampf scheint nun ein Kauf des Gebäudes, und damit die Errichtung eines kulturellen Kleinods in der Steinbecker Vorstadt in greifbare Nähe zu rücken.

So sieht es fast überall im Gebäude aus: Die Decken sind kaputt

So sieht es fast überall im Gebäude aus: Die Decken sind kaputt

Riesige Löcher klaffen in den Zwischendecken. Vereinzelt ragen Fetzen von Stroh heraus. Die Decken scheinen aus einem Stroh-Lehm-Fachwerkgemisch zu bestehen. Der Wind pfeift unentwegt durch die Fenster, in zahlreichen Ecken macht sich Hausschwamm, ein holzzerstörender Pilz, breit. Die Stralsunder Straße 10 (StraZe) befindet sich in einem traurigen Zustand. Das zeigen alte Archivfotos, die im Rahmen einer öffentlichen Begehung vor wenigen Jahren entstanden.

„Die Stralsunder Straße 10 ist städtebaulich sowohl für die nördlich des Ryck gelegene Vorstadt als auch für die gesamte Stadt von Wichtigkeit“, erklärt der Greifswalder Denkmalschützer Felix Schönrock. Zudem handele es sich hierbei um eines der letzten in Norddeutschland erhaltenen Konzert- und Gesellschaftshäuser des 19. Jahrhunderts. „Die Fassade wurde zwar verändert, allerdings sind Struktur und Ausstattung im Inneren noch ziemlich vollständig erhalten“, unterstreicht Schönrock den „großen Denkmalwert“ des Gebäudes für Stadt und Region. „Besonders bemerkenswert ist der erhaltene und über zwei Geschosse reichende Emporensaal im Stil des späten Klassizismus“, teilt der Denkmalschützer begeistert mit.

Als die Universität das Gebäude 2007 an das Petruswerk, eine katholische Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft, verkaufte, wurde die Zukunft des Hauses aufmerksam beobachtet. „Als es um den Verkauf der Stralsunder Straße ging, gab eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern, die das Haus vor dem Verfall retten wollte, ebenfalls ein Gebot ab“, erzählt Manja Graaf, Vereinsmitglied des Kultur- und Initiativenhaus e.V.  Die Immobilienfirma, den Zuschlag erhielt, entschied sich, das Haus aufgrund unwirtschaftlich hoher Sanierungskosten abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen.

Bürgerinitiative will Haus retten

Um einen Abriss zu verhindern, gründete sich 2008 der Kultur- und Initiativenhaus e.V., der über mehrere Jahre hinweg ein Konzept zur Sanierung und Nutzung des Hauses entwickelte. Bereits 2004 bildete sich eine „Kultur- und Medienhaus-Initiative“ in der Stralsunder Straße 10, die aus den damaligen Nutzern der StraZe bestand: Vertreter von Greenpeace, moritzTV, das Studententheater StuThe sowie der Greifswald International Students Festival e.V. und das radio 98eins.

In all den Jahren, in denen es immer wieder schien, als würde es recht ruhig um die Zukunft der StraZe werden, erregten wahlweise das Petruswerk und der Verein Aufsehen. Während das Unternehmen mit Abriss drohte, organisierte der Verein Demonstrationen und Podiumsdiskussionen. Die Veranstaltungen und Aktionen wurden von einer breiten Masse der Greifswalder Stadtbevölkerung getragen. Zahlreiche ehemalige Bewohner des Hauses unterstützen das Anliegen und den Verein ebenso wie langjährige Greifswalder, so mancher Universitätsprofessor und prominente Vertreter der Greifswalder Studierendenschaft.

Inzwischen erklärt sich Douglas Fernando, Geschäftsführer des Petruswerks bereit, das Gebäude an den Verein verkaufen zu wollen. Auch Greifswald erklärte sich nach Angaben einer Pressemitteilung als Zwischenkäufer bereit. Die Greifswalder Grünen-Fraktion versuchte wiederum über den Umweg die Unterbringung der Musikschule, die Stadt zum Kauf des Gebäudes zu bewegen. Vor einem Jahr war hierfür jedoch noch keine Bereitschaft vorhanden.

Kulturelles Kleinod soll Wirklichkeit werden

Sollte der Kauf gelingen, soll Schritt für Schritt das Konzept des Kultur- und Initiativenhaus e.V. in die Realität umgesetzt werden. In einigen Jahren könnte sich die Stralsunder Straße zu einem weiteren kulturellem Kleinod Greifswalds entwickeln, das dadurch „einen Teil ihrer ursprünglichen gesellschaftlichen Bedeutung wiedererlangen soll“, wie es im Konzept des Vereins heißt. „Es geht uns darum, Wohnen, Arbeiten und Leben miteinander zu verbinden“, fügt die Pressesprecherin des Vereins ergänzend hinzu. Interesse für eine Nutzung der Räume hätten bereits Festivalorganisatoren des polenmARkT, des Nordischen Klangs sowie GrIStuf bekundet. Darüber hinaus könne sich die Greifswalder Musikschule vorstellen, die StraZe mitzunutzen. „Es gibt aber noch weitere Vereine, die das Gebäude nutzen wollen. Zudem hat beispielsweise bereits ein Kindergarten bei uns angefragt“, erzählt Graaf.Bezüglich des Kaufpreises wollte die Pressesprecherin keine Auskunft geben. „Da die Verhandlungen zur Zeit noch laufen, möchte ich dazu nichts weiter sagen“, erklärte sie auf die Frage hin, ob sich der Preis denn im Bereich der im Sanierungs- und Betreiberkonzept veranschlagten 300 000 Euro bewege. Die Sanierungskosten werden auf etwa drei Millionen Euro geschätzt. Dabei soll nicht nur der Emporensaal, „der letzte große Saalraum aus der Zeit des Spätklassizismus“, wieder instand gesetzt werden. Ebenso vorgesehen ist es, die beiden Innentreppen im Bestand zu erhalten, wie die in Folge „starker Belastung durch den Besucherverkehr eingebauten zusätzlichen Stützen der Haupttreppe“ zu erneuern.

Projekt von Verhandlungsausgang abhängig

Alte Malerei in der StraZe.

Alte Malerei in der StraZe.

Die Sanierung selbst soll sich am Vorhaben Niedrigenergiehaus im Bestand orientieren. Um dies zu ermöglichen, sollen Fördermittel aus dem Förderbaustein „Effizienzhaus Denkmal“ akquiriert werden. Teil dieses Konzeptes soll unter anderem ein kleines Blockheizkraftwerk sein, das die Steinbecker und Stralsunder Straße mit Wärme versorgen soll. „Die Stadtwerke sind von Gesprächen nicht abgeneigt, allerdings ist im Moment noch nichts klar“, ergänzt Graaf. Finanziert werden soll das ganze Projekt aus einer halben Million Euro, die aus Eigenkapitalmitteln im Rahmen einer Leih- und Schenkgemeinschaft zustande kommen. Zudem setzt sich die Finanzierung aus Eigenleistungen zusammen, die hauptsächlich aus ehrenamtlichen Bauleistungen bestehen sollen, die der Verein Kultur- und Initiativenhaus e.V. aufbringen will. Hinzu sollen Privatdarlehen, Projektzuschüsse, ein Stiftungskredit sowie ein Kredit der Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken (GLS-Bank) kommen. Ob die Visionen des Vereins innerhalb der kommenden Dekade doch noch Wirklichkeit werden, ist am Ende jedoch ganz vom Ausgang der derzeit laufenden Verhandlungen abhängig.

 

Ein Text von Marco Wagner. Die Fotos stammen von Arik Platzek aus dem Jahr 2009 und sind bei der öffentlichen Begehung entstanden.