Von einem der auszog, mit dem Fahrrad einzukaufen

Lastenrad(640x427)Der Anteil der jungen Menschen, die einen Führerschein besitzen, sinkt stetig. Gerade in den großen Städten kommt man problemlos ohne Auto aus. Nur was ist, wenn man große Einkäufe transportieren will? Eine Alternative, die sich auszuprobieren lohnt: ein Lastenfahrrad.

Andere Kerle schwärmen für Motorräder oder Autos, ich hingegen lasse mir von Fahrrädern den Kopf verdrehen. Erst neulich wieder habe ich mich verführen lassen, von einer Schönheit, die der ganzen Stadt bereitwillig zur Verfügung steht. Schlank, schwarz und kräftig ist es, das Lastenfahrrad des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Einfach zum Verlieben. Seit Mitte März hat man die Möglichkeit, das vom Landesverband bereitgestellte Rad auf Spendenbasis auszuleihen und im Alltag auszuprobieren.

„Wie sieht denn ein Lastenfahrrad aus?“, wurde ich gefragt, als ich Freunden begeistert davon berichtete, „hat das einen extra großen Gepäckträger?“ Nein, ein Lastenfahrrad ist in der Regel deutlich länger als ein normales Fahrrad und bietet – meist zwischen Lenker und Vorderrad – eine Menge Stauraum. Einige Modelle haben eine große Alukiste montiert, andere eine flache, offene Ladefläche und einige einen Holzkasten, nicht ganz unähnlich einer Schubkarre. Das Lastenrad des ADFC gehört zur letzten Kategorie. Robust, einfach zu beladen, flexibel, mit ausreichend Platz, allerdings ohne Schutz der Ladung vor Witterung oder Diebstahl. Die Einsteigervariante als praktikable Alltagslösung.

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Zulandung wie ein Kleinwagen…

„Wofür brauchst du denn so ein Rad?“ war noch eine Frage, die mir gestellt wurde. Ganz einfach: Für alles Alltägliche, was man mit dem Auto erledigen würde. Einkaufen, die Fahrt zum Grillen, Leergut wegbringen, die Weltherrschaft an mich reißen. Für mich stand fest, dass ich so ein Lastenrad zumindest mal ausprobieren muss.

Gesagt, getan. Die Ausleihprozedur ist unglaublich unkompliziert: Anfragen, vorbeifahren, ausleihen. Bei der Ausleihe kooperiert der ADFC mit der lokalen Pfadfindergruppe, die einen überdachten Stellplatz bereitstellt und den Schlüssel für das Lastenrad verwahrt. Nach einer kurzen Einweisung steige ich aufs Rad. Zumindest nachdem ich die Funktionsweise des Ständers begriffen habe: Einfach das Lastenrad nach vorne schieben und er klappt hoch. Denkbar einfach, fast schon zu einfach für studierte Menschen. Die ersten paar Meter sind recht wackelig. Durch das kleine Vorderrad ist die Lenkung direkter als bei einem normalen Fahrrad. Auch der Wendekreis ist größer, denn das Lastenrad ist ziemlich lang. Man gewöhnt sich aber schnell daran.

Die ersten drei Gänge der Acht-Gang-Schaltung sind dafür ausgelegt, mit einem voll beladenen Rad anzufahren. Ohne Zuladung ist man hier quasi im Leerlauf. Aber als ich beim Allgemeinen Studierendenausschuss rund 40 Kilogramm Drucksachen für den moritz einlade, bin ich sehr dankbar für die niedrige Übersetzung. Langsam krieche ich die Friedrich-Loeffler-Straße runter, da das zusätzliche Gewicht eine Menge Anlauf braucht. An der Europa-Kreuzung bin ich so weit, dass ich mich nicht mehr komplett auf das Rad konzentrieren muss und lasse den Blick schweifen. Sofort bemerke ich, dass ich auffalle. Viele Passanten und Radfahrer drehen sich nach mir um – oder eher nach dem Lastenrad. Was in anderen Ländern zum Alltag gehört, ist bei uns noch ein Hingucker – leider, denn das Potential von Lastenrädern im urbanen Verkehr ist hoch und sollte mehr genutzt werden.

An der Zentralen Universitätsbibliothek angekommen, habe ich endlich mal eine Ausrede, die Rampe hinaufzufahren und direkt vor dem Eingang zu parken. Auch hier zieht das Rad Blicke auf sich, nur auf die Idee, etwas Platz zu machen, kommen manche Schaulustige am oberen Ende der Rampe nicht. Ausladen, einladen, weiter geht die Probefahrt. Es ist wirklich angenehm, die ganzen Magazine nicht mit dem Rucksack verteilen zu müssen, sondern sie bequem vor mir her zu kutschieren. Selbst mit dem Auto wäre es nicht einfacher gewesen, denn wer kann schon sagen, dass er mit seinem Auto direkt vor der Eingangstür der Bibliothek parken darf?

...aber weniger Platzbedarf

…aber weniger Platzbedarf

Als ich fertig bin, nutze ich die Gunst der Stunde und fahre noch mal los, ein paar Sachen einkaufen, die ich schon lange vor mir her geschoben hatte: Ein Grill und Erde für die Balkonpflanzen. Alles lässt sich problemlos im Rad verstauen. Selbst ein Wocheneinkauf für eine vierköpfige Familie ließe sich transportieren. Und die maximale Zuladung von 60 Kilogramm stellt eine Grenze dar, die man wohl nie wirklich ausreizen möchte.

Als ich am späten Nachmittag mit meinen Erledigungen fertig bin und keine Entschuldigung mehr finden kann, das Rad länger zu behalten, gebe ich es schweren Herzens zurück und werfe fünf Euro in die Spendenbox. Wie gerne hätte ich selbst so einen Drahtesel. Auch mein Mitbewohner und die Redaktion des moritz sind begeistert. Aber wo sollten wir so ein Rad unterstellen, und wie oft bräuchten wir es wirklich?

Ein Text von Erik Lohmann; Fotos von Milan Salje

“Dann müssen wir auf die Straße. Mit Ihnen.”

Die Psychologin Professor Hannelore Weber ist seit FebrWeberuar 2013 Rektorin unserer Universität. Mit moritz sprach sie über ihre Arbeit, finanzielle Probleme der Universität und Frauenförderung.

Ist Ihnen das Ausscheiden aus dem regulären Lehr und Forschungsbetrieb des Psychologischen Instituts schwergefallen?

Sehr schwer. Ich habe um die Entscheidung gerungen, ob ich mich zur Wahl als Rektorin stellen und damit mein altes, akademisches Leben hinter mir lassen sollte. Das waren wie zwei Seelen in meiner Brust. Ich bin mit großer Leidenschaft Hochschullehrerin gewesen. Momentan betreue ich noch Diplomarbeiten am Institut für Psychologie und habe meine Arbeitsgruppe dort. Es überfällt mich ein wenig Wehmut, wenn ich ab und an ins Institutsleben eintauche. Mal wieder die Zeit für Forschung haben, das wäre schon schön.

Was waren die ersten Herausforderungen in Ihrem Amt?

Wenn ich mich früher für Vorlesungen vorbereitet habe, dann habe ich mir Zeit genommen und auch nehmen können. Stundenlang. Nun bin ich mit einer Vielfalt von neuen Aufgaben konfrontiert, sowohl was die internen Vorgänge an der Universität betrifft als auch die vielen Außentermine, die sich aus der Zusammenarbeit mit der Politik, mit anderen Hochschulen und Institutionen ergeben. Die schiere Menge an Fragestellungen und Aufgaben lässt mir nicht mehr die Zeit wie früher, sich intensiv mit einer Sache auseinanderzusetzen. Dieses v

eränderte Zeitmanagement ist eine neue Herausforderung für mich.

Wie sieht ihr Alltag als Rektorin aus?

Wenn ich Auszüge aus einem Arbeitstag durchgehe, wird das schnell deutlich. Nun ist es 11 Uhr. Gleich im Anschluss folgt ein Berufungsgespräch, wobei es darum geht, eine junge Kollegin für eine Professur an der Universität für den Bereich Gender Studies zu gewinnen. Danach fahre ich zur Universitätsmedizin zu einem Treffen mit Vertretern der Euroregion Pomerania. Dort geht es um grenzüberschreitende Projekte zwischen Polen, Schweden und Deutschland. Letzte Woche war ich in diesem Zusammenhang in Stettin und habe die Medizinische Universität besucht, die großes Interesse an einer Kooperation mit Greifswald hat. Später am Nachmittag steht die Suche nach privaten Förderern an, die wir gewinnen wollen, um möglichst viele Deutschlandstipendien für engagierte und begabte Studierende verteilen zu können. Im Anschluss werde ich im Institut für Psychologie an den Vorbereitungen einer Tagung mitarbeiten. Heute Abend treffe ich mich noch mit einer Gutachtergruppe des Verbundes der Norddeutschen Universitäten, die morgen die Universität besuchen wird und sich unser Qualitätsmanagement hinsichtlich der Lehre ansieht.

Eines Ihrer Forschungsgebiete umfasst die Regulation von Stress und Emotionen. Hilft Ihnen Ihr Fachwissen sich zu entspannen?

Es hilft schon. Allerdings ist es häufig so, dass man zwar die Theorie und relevante Forschungsergebnisse kennt, sie aber vergisst, wenn man mitten im Alltag gefangen ist. Dann fehlt bisweilen die Zeit, die nötige Distanz zu bekommen und sich zu sortieren. Wenn eine Anforderung sehr schnell auf die Nächste folgt, muss man lernen, diese Reflexionsphasen einzubauen, um dann wieder effizient und angemessen handeln zu können.

Der Nordkurier hat vor wenigen Tagen geschrieben, dass das Defizit der Universität im laufenden Haushaltsjahre 6, 8 Millionen Euro beträgt. Stimmt das?

Wir haben ein strukturelles Defizit. Wie groß das Defizit jedoch letztlich wird, hängt davon ab, inwieweit wir zusätzliche Kosten, zum Beispiel durch Tarifsteigerungen für Mitarbeiter oder steigende Energiepreise, v

om Land erstattet bekommen.

Welche Lösungsansätze sehen Sie, wenn das Land das Defizit nicht in voller Höhe ausgleicht?

Wenn das Land nicht ausgleicht, werden wir nicht umhin kommen, im Personalhaushalt zu sparen, indem wir beispielsweise freiwerdende Stellen nicht sofort neu besetzen können, sondern erst nach einigen Monaten. Die mangelnde finanzielle Ausstattung wird sich verschärft in den kommenden Jahren stellen. Wir hoffen, dass unser Bildungsminister in den Gesprächen zum Doppelhaushalt 2014/2015 möglichst viel bei der Finanzministerin für die Hochschulen herausholen kann. Wenn das nicht gelingt, werden wir uns überlegen müssen, wie wir die Öffentlichkeit auf die die drängenden Probleme der Universitäten aufmerksam machen. Dann müssen wir eventuell auch auf die Straße gehen. Mit Ihnen.

Werden Sie sich für eine weitere Erhöhung der Professorinnen-Quote an der Universität starkmachen?

Das ist für mich ein großes Anliegen, weil sich Greifswald im bundesdeutschen Vergleich hinsichtlich des Anteils von Hochschullehrerinnen an den Professuren deutlich unter dem Durchschnitt befindet. Deshalb haben wir uns auch entschieden, an dem „Professorinnen-Programm“ teilzunehmen. Dabei werden vom Bund zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt, wenn eine

ausgeschriebene Professorenstelle durch eine Frau besetzt wird. Als eine Art Eintrittskarte für die Teilnahme an diesem Programm haben wir ein Gleichstellungskonzept eingereicht. Dieses wird momentan begutachtet.

Wie beurteilen Sie die aktuelle, politische Debatte um die Frauenquote?

In dieser Hinsicht habe ich, wie viele andere mir bekannte Frauen in Führungspositionen, meine Meinung geändert. Ich habe lange Zeit geglaubt, dass wir das auch so schaffen und dafür nicht unbedingt eine Quote brauchen. Immerhin hat sich beispielsweise die Anzahl der promovierenden Frauen deutlich erhöht. Auf der anderen Seite finde ich den internationalen Vergleich alarmierend. In anderen Ländern sind bereits deutlich mehr Frauen in der Führungsebene vertreten als in Deutschland. Den Glauben, dass wir schon irgendwann dort ankommen werden, habe ich leider verloren. Deshalb denke ich schon, dass wir eine Frauenquote brauchen, vor allem in der Wirtschaft.

Aber trifft das auch für den universitären Bereich zu?

Bei Professuren macht Quote keinen Sinn, weil die Auswahl durch die Qualifikation bestimmt wird. Ich würde jedoch zumindest erwarten, dass sich nach dem sogenannten „Kaskadenmodell“ der Anteil an Frauen an den Professuren in dem Maße erhöht, wie sich auch der Anteil der Frauen mit der dazu nötigen Qualifikation erhöht, entweder durch eine Juniorprofessur oder eine Habilitation.

Wie wichtig ist für Sie eine familienfreundlichere Universität?

Eine familienfreundliche Universität ist ein wichtiger Faktor, dass sich Frauen und Männer für eine Karriere an der Universität entscheiden. Auch für einen Mann ist der Job reizvoller, wenn er in einer familienfreundlichen Umgebung arbeiten kann. Es ist ein wichtiger Standortfaktor, da andere Universitäten bei Berufungen mit ihrer Familienfreundlichkeit werben, zum Beispiel mit guter Kinderbetreuung oder Arbeitsplätzen für den Partner, mit Double-Career-Angeboten. Es gibt zahlreiche Universitäten, die viel Geld in solche Angebote stecken; hier schlägt einmal wieder unsere kritische finanzielle Situation zu Buche, sodass uns die Mittel, die wir eigentlich für solche Maßnahmen bräuchten, fehlen.

Was halten sie von einem Kinderraum für die Bibliothek?

Das Hauptgebäude - der Arbeitsplatz der Rektorin

Das Hauptgebäude – der Arbeitsplatz der Rektorin

Solche Kinderzimmer sind sicher eine sehr interessante Maßnahme.

Hat eine andere Universität in diesem Bereich Vorbildwirkung?

Es gibt Universitäten, die sind im Hinblick auf die Möglichkeiten einer familienfreundlichen Universität vorbildlich, beispielsweise in der Kinderbetreuung oder mit umfangreichen Familienserviceangeboten. Das ist häufig dort der Fall, wo Universitäten, zum Beispiel im Rahmen der Exzellenzinitiative, sehr viel Geld bekommen haben.

Denken Sie, dass Universitätskarrieren auf dem Weg zur Professur familienfreundlicher werden müssten?

Die Voraussetzungen für eine Universitätskarriere sind ein großes Problem im Hinblick auf Familienfreundlichkeit. Die Karriere verlangt hohe Mobilität, meist auch Auslandsaufenthalte. Das ist wissenschaftsfreundlich, da es im Rahmen einer globalisierten Forschung wichtig ist, mehrere Universitäten zu kennen, aber das ist nicht unbedingt familienfreundlich. Es ist ein Dilemma. Hier stehen sich zwei Forderungen gegenüber, und es ist sehr schwierig, dort eine Lösung zu finden.

Wie wichtig finden Sie das Landschaftsökologiestudium für die Universität?

Das ist ein absolut attraktiver Studiengang für die Universität Greifswald und wir tun alles, um diesen Studiengang zu fördern und zu erhalten.

Die Ausschreibung der Umweltphilosophie Professur ist aber zuletzt zweimal im Fakultätsrat gescheitert.

Die Stelle wird jetzt ausgeschrieben.

Die Universität Greifswald bietet noch Diplomstudiengänge an, obwohl es diese nicht mehr geben sollte. Wie wird es mit diesen Studiengängen weitergehen?

Das kann ich nicht beurteilen. Bis jetzt gibt es keine Anzeichen, hier irgendetwas zu ändern.

Also wird auch Psychologie weiter auf Diplom angeboten?

Nein, die Umstellung der Psychologie steht zum Wintersemester an. Wir werden den Diplomstudiengang auf einen Bachelor Studiengang mit acht Semestern Regelstudienzeit und einen zwei semestrigen Master umstellen.

Falls das Haushaltsdefizit in den nächsten Jahren weiter ansteigt und nicht durch das Land ausgeglichen wird, halten Sie dann Kürzungen nach dem Rasenmäher-Prinzip oder eine weitere Fokussierung der Universität für sinnvoller?

Wenn wir überleben wollen, dann können wir nicht nach dem Rasenmäher-Prinzip kürzen. Wir werden in einem Wettbewerb stehen, in dem wir funktionstüchtige einzelne Einheiten erhalten müssen. Das heißt, wir werden dann noch einmal in eine Strukturdiskussion einsteigen müssen.

Das heißt, es kann dann auch wieder zu Institutsschließungen kommen?

Wenn es Strukturdiskussionen geben muss, dann wird sich sicherlich noch einmal die Frage von Institutsschließungen stellen.

 Aus den Reihen der Geisteswissenschaftler kommen Klagen, dass es ihnen schlecht gehen würde. Muss die Situation der Geisteswissenschaftler verbessert werden?

Den Geisteswissenschaftlern geht es nicht schlechter als den anderen. Wenn man auf die Ebene der Institute runter geht, gibt es größere und kleinere Institute auch an anderen Fakultäten. Die Strukturen, die gegenwärtig existieren, sind finanziert, wenn auch mit den Einschränkungen, über die wir anfangs gesprochen haben. Wir bekommen jetzt generell Probleme, weil es Kostensteigerungen in bestimmten Bereichen gibt, die nicht aufgefangen werden.

Wenn man sich die Spitzenforschungsprojekte der DFG anschaut, sieht man da bundesweit zahlreiche Geisteswissenschaftliche Projekte. Die Greifswalder Geisteswissenschaften sind hier unterrepräsentiert, hier gibt es nur ein geisteswissenschaftliches Graduiertenkolleg.

Aber immerhin es gibt ein Graduiertenkolleg! Das ist die gute Nachricht und nicht selbstverständlich: Hochschulen wie die Freie Universität in Berlin, die für einzelne Fachgebiete wirklich große Institute haben, fällt es natürlich leichter, große Forschungsverbünde einzuwerben. Aber die DFG fördert auch kleinere Projektverbünde, wie Forschergruppen mit beispielsweise sechs oder sieben Wissenschaftlern, oder auch Forschungsvorhaben einzelner Wissenschaftler. Man kann also auch mit kleinen Strukturen erfolgreich sein.

In den Naturwissenschaften haben sich ja mehrere kleine Institute für größere Forschungsverbünde zusammengeschlossen.

Hier wurde auch die Zusammenarbeit mit anderen Universitäten stärker genutzt, beispielsweise wurden in der Physik Sonderforschungsbereiche mit Rostock oder Kiel eingeworben. Der verstärkte Zusammenschluss mit anderen Universitäten ist die andere Alternative, wenn man zu klein ist. Das ist auch ein Konzept für die Zukunft. Wir werden stärker darauf achten müssen, andere Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in gemeinsame Projekte mit einzubeziehen.

Professor Westermann sah als größten Misserfolg seiner Amtszeit, dass die Universität in der Exzellenzinitiative keinen Erfolg hatte. Für wie wichtig halten sie die Beteiligung der Universität Greifswald an eventuellen Nachfolgeprojekten?

Ich gehe davon aus, dass die Exzellenzinitiative in der bisherigen Form nicht weitergeführt wird. Sie hat einzelne Standorte begünstigt, die in der Lage sind sehr große Forschungsverbünde zusammenzustellen. Das können wir in Greifswald nicht leisten, da wir immer vergleichsweise klein bleiben werden, auch wenn wir alles zusammenlegen, was wir haben. Ich erwarte aber, Entwicklung, dass der Bund in anderer Form wieder in die Hochschulfinanzierung einsteigt, und hier müssen wir uns beteiligen. Ein Beispiel, das gerade im Gespräch ist, sind Bundesprofessuren, also Professoren, die vom Bund bezahlt werden. Dort können sich auch Universitäten mit kleineren Schwerpunkten bewerben.

Wie wichtig ist für Sie das Ziel einer umweltfreundlicheren Universität mit dem Ziel der CO2-Neutralität?

Da sind wir auf einem guten Weg, nicht nur mit den Initiativen der Kollegen aus der Landschaftsökologie, sondern auch mit Initiativen aus anderen Bereichen der Universität, vor allem auch aus der Verwaltung. Hier stelle ich mit großer Freude fest, dass auf allen Ebenen der Universität ein großes Engagement da ist, eine nachhaltige Bewirtschaftung zu schaffen. Wir werden das bei einem Umweltaktionstag im Juni vorstellen können.

Wie steht es um die Neueröffnung des C9?

Das Studentenwerk prüft im Moment das alte Heizhaus auf dem Gelände der alten Frauenklinik. Dabei hat sich aber herausgestellt, dass es aufgrund einer Havarie zumindest in Teilen schadstoffbelastet ist. Es wird jetzt mit einem Gutachten abgeschätzt, wie hoch der Sanierungsbedarf ist. Ansonsten halten wir das für einen guten Standort für den Club 9.

Wie wichtig sind die Studentenclubs für die Universität als weiche Standortfaktoren?

Alle studentischen Engagements in diesem Bereich sind wichtig, da wir eine kleine Stadt sind und kommerzielle Anbieter fehlen. Von daher sind die Studentenclubs für den Standort Greifswald enorm wichtig.

Der Hochschulsport hat trotz der jüngsten Investitionen noch mehrere marode Sportstätten. Was wollen sie tun, um die Situation des Hochschulsports zu verbessern?

Hochschulsport steht natürlich auf der Liste. Ich freue mich, dass ein Teil der zurückgezahlten Gebühren für Sportstätten ausgegeben wird, das ist sehr gut angelegtes Geld. Ansonsten ist es wie überall die Frage, wie viel Geld wir bekommen, um die lange Liste unserer Sanierungswünschen abzuarbeiten.

Wo sehen Sie die Universität in zehn Jahren?

In zehn Jahren sehe ich einen Wissenschaftsstandort Greifswald, in dem sich die Universität noch stärker mit den außeruniversitären Einrichtungen vernetzt. Ich sehe auch, dass wir das gewonnene Wissen aus der Universität noch stärker in Anwendung bringen müssen, das heißt noch mehr kleine Firmen ansiedeln, die das Wissen in die Wirtschaft bringen. Stärkere Vernetzung und Transfer sind meine Wünsche.

Wollen Sie auch für verstärkte Industrieinvestitionen an die Universität sorgen. Im Moment kommt ein Großteil der Drittmittel aus Projekten des Bundes.

Wir müssen stärker werden, was Mittel aus der EU-Wirtschaftsförderung angeht, da stehen wir im Vergleich zu der Universität Rostock recht bescheiden da. Aber auch durch Ausgründungen von Unternehmen müssen wir für mehr Investitionen sorgen.

Wie wollen Sie die Universität in ihrer ersten Amtszeit als Rektorin verändern?

Verändern? Wenn es zunächst um etwas geht, dann ist das Erhalten. Kein Rückbau, kein Abbau, Strukturen so erhalten, wie sie jetzt sind. Und zu dieser Erhaltungsstrategie gehört auch, dass wir starke Partner gewinnen: Außeruniversitäre Einrichtungen, Industrie und Vernetzung mit anderen Universitäten.

 Das Interview führten Florian Bonn und Friederike Haiser, das Portraitfoto schoss Florian Bonn.

TITEL: Anschluss finden

Rollstuhl_2Des Studenten treuster Freund: sein Fahrrad. Schnell zur Uni gedüst, Platz gesucht und angeschlossen. Aber was ist mit denen, die ihre Räder nicht einfach zurücklassen können? moritz-Redakteure auf einer Entdeckungstour zwischen Rampen und Hürden.

Dienstagnachmittag, 17 Uhr und Sonnenschein. Am Hafen riecht es jetzt sicherlich schon nach Grillanzünder und Sonnencreme. Hier nicht. Im Hörsaal 5 des Audimax ist es stickig, das einzige, was raucht, sind unsere Köpfe. Mein Blick wandert nach draußen. Ich entdecke einen jungen Mann im Rollstuhl, der über den Plattenweg holpert. Ob der wohl auch Student ist? Plötzlich bin ich wieder hellwach. Ich tippe meine Sitznachbarin an. Noch nach der Vorlesung unterhalten wir uns darüber, während wir die Treppen hinuntersteigen. Es sind 28 Stufen bis ins Erdgeschoss. Wie würde er hier eigentlich raufkommen?  Laut §54 im Sozialgesetzbuch XII ist der Besuch einer Hochschule in den Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen aufgeführt. Den gesetzlichen Anspruch auf ein Studium hätte er also – aber ließe sich dieser auch umsetzen? Hier im Audimax entdecken wir immerhin eine behindertengerechte Toilette sowie ein Piktogramm an der Eingangstür, mit einem Pfeil in Richtung Innenhof. Dort befindet sich an der Rückseite des Gebäudes ein Aufzug ins Erdgeschoss. Und schon beginnen die Probleme. Für die Bedienung benötigt man nämlich einen Schlüssel. Ob man am späten Nachmittag allerdings noch jemanden in der Verwaltung erreicht, ist fraglich.

Rolling über Stones

Zuhause informieren wir uns über das Thema im Internet. Der Suchbegriff ‚barrierefreies Studieren‘ führt zu etlichen Seiten von Bund, Ländern und sozialen Projekten, die sich mit den Studienbedingungen für chronisch Kranke und Menschen mit Behinderung auseinandersetzen. Auf www.behinderung-und-studium.de werden die besondere Studienplatzvergabe, die Finanzierungsmöglichkeiten sowie die gesetzlich geregelten Unterstützungsleistungen während des Studiums für Betroffene erläutert. Die Homepage unserer Universität liefert auf den ersten Blick keine Informationen dazu. Erst nach längerem Suchen stoßen wir auf den Beauftragten für behinderte Studierende an der Uni Greifswald, Professor Michael Herbst. Dieser befindet sich derzeit in einem Forschungsfreisemester in Schweden und ist daher nicht erreichbar. Die Zuständigkeit auf Seiten der Studierendenschaft liegt bei dem Referat für Soziales, Wohnen und Studienfinanzierung des Allgemeinen Studierendenausschusses. Doch auch diese Stelle ist momentan nicht besetzt und muss im Bedarfsfall von einem der anderen Referenten vertreten werden. Über den Grad der Barrierefreiheit an unserer Uni und die Schwierigkeiten im Alltag für Rollstuhlfahrer haben wir also nichts erfahren. Am folgenden Tag wollen wir uns daher selbst ein Bild machen. Auf dem Prüfstand: wichtige Anlaufstellen im Studienalltag. An der Universitätsbibliothek am Beitz-Platz finden wir direkt eine Rampe, die zur Eingangstür führt, welche elektrisch geöffnet werden kann. Innen sehen wir eine weitere Rampe, die ausgewiesene Behindertentoilette sowie einen Aufzug für alle Stockwerke. Moderne Technik in modernem Gebäude.  Die einzige Hürde bestünde wohl aus einem Buch im obersten Regalfach. Wir fahren nun weiter zur Mensa am Schießwall. Auch hier sieht es gut aus: Rampe, Toilette, Aufzug. Auch wenn uns kein Rollstuhlfahrer begegnet, sehen wir eine Mutter mit Kinderwagen, die die Alternative zur Treppe nutzt. Die Vorteile barrierefreier Gebäude kommen vielen zugute. Anschließend besuchen wir den Copyshop in der Kuhstraße. Ab hier wird es schwierig. Neun Stufen bis zum Kopierer. Die Mitarbeiter versichern uns zwar ihre Hilfsbereitschaft, wer allerdings gerne selbst ein Auge auf den Druckvorgang haben möchte, muss bis zur großen Filiale in der Walther-Rathenau-Straße fahren.

Bestandsaufnahme mit RollstuhlRollstuhl_1

Ohne Alternative stehen die Institute da. Dabei spielt sich doch gerade hier der Großteil unserer Vorlesungszeit ab. Wie aber soll man an einem Seminar teilnehmen, das man nicht erreichen kann? Genau diese Frage haben sich im Mai 2011 die Beauftragten der Schwerbehindertenvertretung für Mitarbeiter an der Universität Greifwald gestellt und eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Unter der Leitung von Mike Naujok vom Hochschul-Referat für Zentrale Dienste führten studentische Hilfskräfte eine umfangreiche Bestandsaufnahme der Beschaffenheit universitärer Gebäude durch. Über 60 Häuser wurden dabei mit dem Rollstuhl besucht, protokolliert und in drei Kategorien eingestuft: als „voll barrierefrei beziehungsweise leicht eingeschränkt“ gelten 19 Prozent, „eingeschränkt barrierefrei“ sind 28 Prozent und „nicht barrierefrei“ 53 Prozent. Zur ersten Kategorie werden unter anderem das Rechenzentrum, die Universitätsbibliothek oder das Institut für Biochemie gezählt. Als „eingeschränkt barrierefrei“ gelten laut Projektbericht auch solche Gebäude, die durch kleinere Umbaumaßnahmen wie das Anbringen von Piktogrammen oder die Installation von Rampen zugänglich gemacht werden könnten. Hierunter fallen das Audimax, das zentrale Prüfungsamt und die Fachbibliothek am Schießwall. Mit dem Prädikat „nicht barrierefrei“ wurden über die Hälfte der universitären Gebäude versehen, was hauptsächlich ihrem Alter geschuldet ist. Ende des 19. Jahrhunderts wurden beim Bau andere Prioritäten gesetzt. Hinzu kommt, dass viele Institutsgebäude ursprünglich als Wohnhäuser geplant waren und daher nicht den Ansprüchen heutiger Nutzung entsprechen, wie im Bericht zu lesen ist. Abgesehen von finanziellen Fragen kann auch nicht jedes Gebäude zugunsten der Barrierefreiheit saniert werden. Ein geplanter Aufzug für die obere Etage des Audimax musste aus Gründen des Denkmalschutzes verworfen werden.

Dennoch erkannte die Universitätsleitung den Bericht der Arbeitsgruppe einschließlich der Verbesserungsvorschläge als sehr hilfreich an und veranlasste sogleich die „Umsetzung im Rahmen ihrer Möglichkeiten“, so Naujok. Daraufhin sind zum Beispiel behindertengerechte Parkplätze eingerichtet worden. Am Ende unseres Rundgangs schauen wir noch einmal im Zentralen Prüfungsamt vorbei und nehmen Anlauf für zwei alte, verwitterte Stufen. Doreen Hallex, die kommissarische Leiterin, weiß um das Problem und erzählt, dass eine portable Rampe seit Längerem geplant ist. Sie kann sich allerdings an keinen Fall erinnern, in dem ein Student um Hilfe bat, da er die Stufen nicht bewerkstelligen konnte.

Blick in die Zukunft

Es scheint, als würde der Bedarf nach rollstuhlgerechten Universitätsgebäuden eher gering sein. Nichtsdestotrotz ist es erforderlich, derartige Baumaßnahmen voranzutreiben. Selbst wenn kein Student unserer Uni auf die barrierefreien Zugänge angewiesen wäre, so gilt es doch, an die verschiedensten Nutzer der Gebäude zu denken, so wie körperlich eingeschränkte Gastredner und Gasthörer oder Studenten, die einen Unfall hatten und zeitweilig „schlecht zu Fuß“ sind. Denn wer will schon seinen Studienort wechseln, nur weil er einige Monate lang im Erdgeschoss gefangen ist? Mittlerweile stehen nicht nur Neubauten im Zeichen der Inklusion unserer Universität, sondern auch die Sanierungen der historischen Gebäude. Doch selbst wenn alle baulichen Maßnahmen für eine rollstuhlgerechte Uni umgesetzt würden, könnte sie längst noch nicht als behindertengerecht eingestuft werden. Vollständige Barrierefreiheit bedeutet, auch hör- und sehbehinderten Menschen das Studium zu ermöglichen, etwa durch technische Lernhilfen oder einen Gebärdendolmetscher.

Bis es soweit ist, werden wir wohl nicht mehr hier studieren. Trotzdem ist es gut zu wissen, dass langsam etwas ins Rollen kommt. Wir zwei bewegen uns jetzt erst einmal an den Hafen. Auf der Wiese gibt es keine lästigen Schwellen – ob zu Fuß oder auf Rädern, jeder kann sich dort frei bewegen und den Feierabend genießen.

Ein Text von Laura Hassinger und Laura Ann Treffenfeld; Fotos: Lisa Klauke-Kerstan (angeschlossener Rollstuhl), Laura Ann Treffenfeld (umgekippter Rollstuhl)

Ameisen im Klinikum

Ameisen„Achtung, dies ist ein automatischer Transport, bitte gehen Sie aus dem Weg“, mehr war aus meinem Interviewpartner nicht heraus zu bekommen. Immer wieder wies er mich darauf hin, dass ich ein Hindernis sei und doch bitte zur Seite treten solle.

Doch so einfach gab ich mich nicht geschlagen. Stattdessen habe ich mich auf die Lauer gelegt und mir ein paar Informanten gesucht, um mehr über diese seltsamen Wesen, die seit 2002 nicht ganz lautlos über die Flure des Greifswalder Klinikums geistern, zu erfahren. Für alle, die es noch nicht erraten haben: Es handelt sich um das „Fahrerlose Transportsystem Transcar“. Klingt ganz schön unromantisch, oder? Finde ich auch, deswegen bleibt es für mich beim Roboter. Zugegebenermaßen ähneln die Helfer im Krankenhausalltag in keiner Weise der künstlichen Intelligenz aus so manchem Science-Fiction-Film, außerirdisch wirken sie trotzdem. Meine erste Begegnung mit dem fremden „Lebewesen“ habe ich in den Katakomben des Klinikums. In direkter Nähe der neuen Mensa-Küche rollt es auf mich zu und bittet den Weg frei zu machen – sprachgewandt kann man das aus vier Sätzen bestehende Repertoire des Roboters nun wirklich nicht nennen. Überall weisen Spuren der gummierten Räder auf das Revier der Roboter hin. Ich nehme die Fährte auf, natürlich gut getarnt, und begleite das aus 34 Mitgliedern bestehende Rudel während eines ganz normalen Tages im Klinik-Dschungel.

Fortbewegung ohne Schall und Rauch

Der Geruchssinn fehlt ihnen ganz offensichtlich, doch wie schaffen sie es dann sich so selbstverständlich durch die Tunnel, Gänge und Hallen zu bewegen? So genannte Transponder, die in den verschiedensten Farben in  den Seitentaschen der Roboter stecken, liefern erste Hinweise. Ich hake genauer nach und habe Glück. Heiko Rodde, Mitarbeiter des Fachbereichs Elektrotechnik und quasi das Leittier des Rudels, ist bereit Insiderinformationen preis zu geben. Die Verständigung und Orientierung der Roboter erfolgt über ein Funknetz und einen kleinen Bordcomputer, auf dem die Weltkarte des Reviers gespeichert ist. Monatelang wurden die befahrbaren Strecken im Klinikum ausgemessen und digitalisiert, bis ein komplexes System aus Knotenpunkten und Kanten zusammengestellt werden konnte. Gerade die Jung-Roboter verliefen sich in ihrer Eingewöhnungsphase gerne mal und fuhren geradewegs in die Patientenzimmer, wie Schwester Renate erzählt. Heute geschehen Pannen dieser Art nur noch selten. Sollte sich dennoch mal ein Roboter verirren, wird dies sofort von einem umfangreichen Überwachungssystem registriert und der Leitstelle Technik gemeldet. Zwölf Mitarbeiter sind rund um die Uhr damit beschäftigt die Roboter zu hüten und sich im Notfall um Schadensbegrenzung zu kümmern. Die Kindermädchen des Rudels können innerhalb weniger Minuten vor Ort sein, wenn wieder mal ein Stau vorm Fahrstuhl entsteht (Abenteuerfilmer haben bereits Videos in einem bekannten Netzwerk hochgeladen). Jetzt noch einmal zu den bunten Transpondern: Diese sind quasi die Zieleingabe in das Navigationssystem. Jede Station des Klinikums, die Mensa und andere Versorgungsstellen wie beispielweise die Apotheke, haben Ports. Moderne Häfen, in denen die Roboter auf ihre jeweils nächste Reise geschickt werden. Der beigelegte Transponder wiederum hat die Informationen über den Zielort des Transports gespeichert, den der jeweilige Roboter dann wie von Zauberhand ansteuert.

Weder über ihre Strecken noch über ihre Zeit können die Roboter also frei verfügen. Sobald der Transport von Essen, Wäsche, Medikamenten, Lagergütern oder einfach nur Abfall nötig wird, stehen die Heinzelmännchen bereit und verrichten ohne Murren ihre Arbeit. Das sei auch zugleich ihr größter Vorteil, erklärt mir der Leiter des Dezernats für Technik und Bau Josef Schedl, also der Ranger des Reviers: „Die Transportsysteme sind zuverlässig und ermöglichen eine effiziente Planung.“ Sie sind also ein kostensparender Ersatz für das menschliche Personal, das vor der Integration des Rudels für die Transporte im Dschungel verantwortlich war. Krank werden sie trotzdem manchmal. Hierfür gibt es eine eigens eingerichtete Reparaturstelle. In dieser speziellen Krankenstation werden die Batterien der Roboter gewartet, Verschleißteile ausgewechselt oder Störungen geheilt. Ein Personalabbau habe aber nicht stattgefunden, ganz im Gegenteil, denn die kleinen Klinikbewohner brauchen viel Unterstützung im Hintergrund.

Das Greifswalder Rudel ist schon lange kein Einzelfall mehr. In Hamburg, Leipzig und seit neustem auch im Rostocker Uni-Klinikum können Wesen dieser Spezies beobachtet werden. Die Leittiere stehen sogar in Kontakt miteinander um Führungserfahrungen auszutauschen. Aufgrund der Herausforderungen in logistischer Hinsicht steht es auch Jungforschern aus den Greifswalder Instituten frei, sich mit dem System auseinander zu setzen. Der Ranger plant schon seit längerem eine Kooperation mit der Uni. „Insbesondere Studierende der Betriebswirtschaftslehre sind herzlich willkommen. Wir sind für jede Unterstützung dankbar“, erklärt Schedl.

Ein Arbeitstag in Zahlen

Die schnellsten sind die Roboter mit ihrer Geschwindigkeitsspanne von 0,1 bis 1 Meter pro Sekunde wahrlich nicht. Dennoch legt das Rudel an einem durchschnittlichen Tag mit 800 bis 850 Fahrten 620 Kilometer zurück. Die längste zu überwindende Distanz in dem Netz aus Wegen ist 2,5 Kilometer lang. Transportiert wird bis auf organische Materialien alles, was im Klinikum von A nach B muss. Jeder einzelne Roboter kann bis zu 200 Kilogramm tragen. Hierfür sind täglich 600 Container im Einsatz, allein 125 für den Transport der Patientenmenüs aus der Mensa auf die einzelnen Stationen. Trotz der Arbeitserleichterung für die Logistik bedeuten die Roboter zugleich einen Mehraufwand für die menschlichen Mitarbeiter. Auf jeder Station gibt es jeweils einen Ver- und Entsorgungsraum. Hierhin bringen die Roboter entweder die bestellten Container oder holen diese ab. Dabei schaffen sie es zwar selbstständig die Türen zu öffnen, aber für die weiteren Vorgänge brauchen sie menschliche Hilfe. Sobald ein Transport eingetroffen ist, wird das Pflegepersonal optisch und per Telefon benachrichtigt. Dies ist das Signal, dass sofort ein Mitarbeiter den eingetroffenen Container aus der Bahn des Roboters entfernen muss, damit mögliche Folgelieferungen ausreichend Platz bei der Ankunft vorfinden. Trotz der zu Beginn der Systemeinführung durchgeführten Schulungen ist auch das Entsenden über die erwähnten Ports für so manche Schwester noch problematisch. Die Spontanität fehlt den „Ameisen“, wie die Roboter liebevoll vom Klinikpersonal genannt werden, also vollkommen. Jede kleine Unebenheit oder Verzögerungen im Ablauf irritieren die Transportsysteme und führen zu Komplikationen. „Disziplin – gerade beim Klinikpersonal – ist daher ganz besonders wichtig für ein reibungsloses Funktionieren des Systems“, betonen sowohl der Ranger als auch das Leittier des Rudels mehrmals. Die Akzeptanz für die neuen Klinikbewohner war beim übrigen Personal wohl von Anfang gegeben, doch gerade in der Anfangsphase gab es Unfälle. Da kam es schon mal vor, dass Essenscontainer nicht ordnungsgemäß verschlossen wurden und die Suppe über die Flure lief.

Instinktives Verhalten im Rudel

Besonders unglücklich war der erste Rollstuhlfahrer, der beim Verlassen des Fahrstuhls auf einen Roboter samt Container traf, ohne dass an ein Vorbeikommen zu denken war. Heute helfen Laserleisten in allen Fahrstühlen erneute Unfälle dieser Art zu verhindern. Und auch sonst haben die Roboter viel Respekt vor ihrem natürlichen Feind „Mensch“. Sobald Laser an der Vorderseite des Roboters ein Hindernis ausmachen, drosselt die Ameise ihre Geschwindigkeit und hält bei geringen Distanzen sofort an. Ein direkter Körperkontakt ist also nicht möglich. Gerade ältere Patienten aus den ländlichen Regionen rund um Greifswald freuen sich über die Abwechslung im Dschungel und bewundern die technologische Schöpfung. Auch innerhalb des Rudels herrscht Rücksicht. Was beim Menschen nicht immer gelingt, funktioniert in der Technologie einwandfrei. Kreuzen sich zwei Roboter, gilt rechts vor links. Unfälle gab es noch keine und auch vor den Fahrstühlen gibt es heute kein Gedrängel mehr.

Nach einem anstrengenden Arbeitstag gibt jeder Roboter seinen letzten Container am Wasserloch, einer Waschstraße auf der Sterilisationsstation des Klinikums, ab und macht sich auf zur nächsten von insgesamt 15 Ladestationen. Ja, auch ein Roboter wird mal müde. Die Erholungsphase dauert von 22 bis 4 Uhr an, vor allem damit die Patienten keinen Revierkampf anzetteln. Nur Notfahrten, zum Beispiel mit Operationsbesteck, sind während der Nachtruhe erlaubt. Doch spätestens um 4.45 Uhr ruft das Frühstück das Rudel wieder aus seinen Rückzugsorten.

Ein Text und Fotos von Lisa Klauke-Kerstan

moritz 105 – Mai 2013 – Kein einfacher Weg

moritz 105 – Mai 2013 – Kein einfacher Weg

2O3Q--P7ruUpqxzd9AjUl49u6K7tGyTX14OkbJ2hHUQ (425x640)Mir wird häufig gesagt, dass ich mich viel zu sehr ablenken lasse und mich auf das Wesentliche konzentrieren soll. Doch was ist das Wesentliche im Leben? Wer entscheidet, was wichtig ist und was nicht? Sicher ist die Schule wichtig, damit man nicht vollkommen ungebildet durchs Leben geht; Studium, Ausbildung, Job – alles hat einen hohen Stellenwert, verständlicherweise. Aber ist dies wirklich das Wesentliche?

In den Zeitungen, in den Nachrichten, im Internet, überall liest man von Unglück, Missstand, Ungerechtigkeit: Rund 750 Millionen Menschen haben kein sauberes Trinkwasser, mehr als eine Million Aidswaisen leben allein in Südafrika, weltweit gibt es etwa 250 000 Kinder, die zu Soldaten ausgebildet werden – ist die Vorlesung über Textsorten dagegen nicht eigentlich viel zu banal, um wesentlich zu sein?

Sollte man nicht lieber etwas tun, statt im Halbschlaf Dozenten zuzuhören, wie sie über längst verstorbene Schriftsteller philosophieren? Manchmal kam es mir wie eine Verschwendung von Ressourcen vor, die man sinnvoller einsetzen könnte. Um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, bin ich dann zu den Treffen von Amnesty International gegangen.

Aber auch nach zwei Semestern hatte ich nicht das Gefühl, dass ich durch das Schreiben von Briefen oder Unterschriftensammlungen irgendetwas bewegen würde. Man kann mir jetzt vorwerfen, dass es immerhin besser sei, als nichts zu tun. Und das mag wahrscheinlich auch zutreffen. Leider habe ich mich dennoch für letzteres entschieden. Statt wie sonst zu Amnesty zu gehen, habe ich mich mehr oder weniger breitschlagen lassen, zum ersten Mal in meinem Leben „Germany’s Next Topmodel“ zu gucken – ein Sendungsformat, das ich bis jetzt für überflüssig und in gewisser Hinsicht auch sexistisch gehalten habe – und paradoxerweise denke ich das auch immer noch. Aber mit Freundinnen vorm Fernseher zu sitzen, Sekt zu trinken und Schokolade zu naschen, während irgendwelche Sechzehnjährige, ausgestattet mit Push-up-BHs oder hoch rutschenden Kleidern, vor der Kamera Grimassen schneiden, war einfach nur unglaublich unterhaltsam! Es war weder vernünftig, noch moralisch wertvoll oder karriereförderlich, aber mittlerweile glaube ich, dass es manchmal wichtiger ist, einfach mal das zu tun, worauf man Lust hat, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was man in der Zeit Sinnvolleres hätte anstellen können – in dem Sinne: viel Spaß beim Lesen des Hefts!

Sabrina von Oehsen

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