moritz 100 – Oktober 2012 – 100. Ausgabe

moritz 100 – Oktober 2012 – 100. Ausgabe

Die Sektkorken knallen

Liebe Leserinnen und Leser,
vor genau 14 Jahren hat das Studentenmagazin moritz zum ersten Mal die Druckerei verlassen. Es wurden die neuen Erstsemester in Greifswald begrüßt und im jetzigen Heft – der Nummer 100 – können wir das auch wieder tun: Herzlich willkommen, lieber Erstsemster. So schließen sich manchmal die Kreise einfach perfekt, als wenn es geplant wurde. Anlässlich unseres Jubiläums erlauben wir uns ein Magazin, in dem sich zu großen Stücken um uns selbst dreht.

Viele Wechsel in der Redaktion prägten die Geschichte des moritz, sodass es regelmäßig zu Veränderungen kam. Einige Redakteure begleiteten das Magazin sehr lange, wie zum Beispiel der erste Chefredakteur Mirko Gründer, mit dem ihr ein Interview im Heft findet. Seit der Einführung des Bachelorstudiums dreht sich das Personalkarussell allerdings deutlich schneller, da die meisten nur noch einige Jahre in Greifswald zum Studieren verweilen. Aber auch in dieser Zeit finden sich treue Seelen, die den moritz lange prägten oder es noch immer tun. Leute kommen und gehen, genauso die Themen – immer wieder tauchen Themen auf, die Studenten schon vor einigen Jahren beschäftigt haben und jetzt wieder. Ein paar alte Leckerbissen haben wir zusammengesucht und noch einmal abgedruckt.

Deutlich dicker ist das Heft, das ihr heute in der Hand haltet. Mit den Umschlagsseiten kommen wir genau auf die 100 Seiten – passend zum Anlass. Vor allem, damit wir uns erlauben können, soviel über uns zu schreiben, aber auch mit dem Ziel, euch trotzdem Themen über die aktuelle Hochschulpolitik, das Unileben, Ereignisse in Greifswald und aktuelle Rezensionsschmankerl liefern zu können.

Vor zwei Jahren hielt ich selbst zum ersten Mal einen moritz in meinen Händen und bin seit dem begeistert, dass Magazin mit gestalten zu können. Eine deutliche Entwicklung hat in all den 14 Jahren, aber auch alleine in den letzten beiden stattgefunden und ich hoffe, dass es so weiter geht. Es ist schön, dass wir an unserer Universität starke und geförderte studentische Medien haben, bei denen sich viele ausprobieren können. Ein jeder bringt neuen Impulse und davon lebt der moritz. Diese Möglichkeit sollte weiter geboten werden und wir wünschen uns jederzeit viele und neue motivierte Studierende, die ihren Ideen freien Lauf lassen wollen.

Blättert fröhlich durch, auf dass für jeden Geschmack etwas dabei ist und ihr alle gut in das Semester startet. Dem moritz wünsche ich alles Gute für die nächsten 100 Hefte und dass das Personalkarussell immer gut bewältigt werden kann und es weiterhin nie langweilig in der Redaktion wird.

Johannes Köpcke

Das komplette Heft als pdf gibt es hier, einzelne Artikel können wie immer auch online gelesen und kommentiert werden.

Demokratie leben lernen im „UniDorf“

Einst war Ducherow ein wichtiger Industriestandort der Region, heute verlassen viele Menschen den Ort. Mit der Universität Greifswald startete die bevölkerungsreichste Gemeinde im Amt Anklam nun ein Projekt, das zum bleiben anregen soll.

Nächster Halt – Ducherow – Ausstieg in Fahrtrichtung rechts“, hört man die blecherne Computerstimme aus dem Lautsprecher des Doppelstockzuges aus Richtung Stralsund ertönen. Kurz bevor der Zug zum Stehen kommt, fährt er an einem ziemlich großen, verrotteten Bahnhofsgebäude vorbei. Einstmals herrschte hier reger Betrieb, schließlich zweigte hier die Hauptbahn nach Swinemünde ab, die 1945 in Folge der Sprengung der Karminer Brücke eingestellt werden musste. Die Bedeutung des Bahnhofes sorgte dafür, dass sich auch der eine oder andere Betrieb ansiedelte.

Die vorpommersche Landgemeinde begann, sich in ein kleines Industriedorf zu verwandeln. Doch von all der Bedeutung ist in Ducherow nicht viel übrig geblieben. Die Arbeitslosigkeit stieg, nicht zuletzt, nachdem die Ziegelei schließen musste. Immer mehr Menschen verließen das Dorf. Diejenigen, die blieben, fühlen sich mit ihren Problemen häufig allein gelassen. Viele der Träume, die in Ducherow 1990 geträumt worden sind, wurden inzwischen längst von der Realität eingeholt. Doch den Kopf in den Sand stecken, um sich mit der schwierigen Situation einfach so abzufinden, wollen die Bewohner der Gemeinde auch wieder nicht. (mehr …)

Gute Idee, aber schlechte Umsetzung

Kürzere Studienzeiten, höhere Mobilität und vergleichbarere internationale Abschlüsse waren die Ziele der Bologna-Reform. Diese werden von den Studiendekanen in einer Bilanz begrüßt, aber die Umsetzung lief alles andere als glatt.

Vor etwa zehn Jahren wurde in Deutschland damit begonnen, die alten Diplom- und Magisterstudiengänge in modularisierte Bachelor- und Masterstudiengänge umzustellen, wie sie schon vorher in den USA oder Großbritannien zu finden waren.

Forderung nach mehr Landesmitteln

Es gibt Kritik an der Bologna-Reform. Der Begriff „Bulemie-Lernen“ geht umher. Für Studenten ist der Übergang zwischen Bachelor und einem Master schwierig. So bekam Felix Scharge (Biochemie) erst eine Absage, dann aber doch eine Zusage, weil sich von den auswärtigen Studienbewerbern nur wenige einschrieben. Wie aber sehen die Fakultäten die Bologna-Reform?

Das Logo zum Bologna-Prozess

Die Philosophische Fakultät gehörte zu den Vorreitern der Bologna-Reform. Bis auf das Lehramt wurden alle anderen Studiengänge auf Bachelor und Master umgestellt. Studiendekan Prof. Patrick Donges befürwortet die Reform, „weil sie Lehre transparenter und verlässlicher macht“. Jedoch sieht er als Hauptproblem zur Verbesserung der Studienbedingungen die „immer prekärer werdende finanzielle Ausstattung“ seiner Fakultät mit dem Verlust von zahlreichen Professuren und Instituten. Um die chronische Unterfinanzierung zu bekämpfen, fordert er mehr Landesmittel. Bis 2014 sollen die Bachelor-Teilstudiengänge besser verzahnt, der Master durch integrierte Masterstudienprogramme attraktiver und die modularisierten Lehramtsstudiengänge reibungslos umgesetzt werden. (mehr …)

„Der größte anzunehmende Unfall“

Zwölf Jahre war er der Dekan der hiesigen Universitätsmedizin: Professor Heyo Klaus Kroemer. Er verließ Greifswald zum 1. September und leitet nun die Universitätsmedizin Göttingen. Mit moritz blickt er zurück und nach vorn.

Professor Heyo Klaus Kroemer (52) ist der ehemalige Dekan der Universitätsmedizin Greifswald

Wie sah die Situation der Medizinischen Fakultät aus, als Sie nach Greifswald kamen?
Greifswald war 1998 in der Medizin noch nicht sehr gut aufgestellt, um das mal ganz vorsichtig zu sagen. In den Kliniken gab es vielfach keine leitenden Ärzte, weil die Berufungsverfahren nicht funktioniert hatten. Die Gesamtbedingungen der Medizin waren sehr, sehr schwierig. Man hat ja 1999 in dieser Not überlegt, diese Medizin zu privatisieren, sich dadurch der Investitionsmaßnahme zu entledigen und die Verantwortung jemand Privatem zu übergeben. Es wurde seinerzeit vom damaligen Rektor, Kanzler und ärztlichen Direktor betrieben. Ich glaube schon, dass man, bei allem Respekt vor den damaligen Kollegen sagen kann, dass die Medizin nur zum kleinen Teil wettbewerbsfähig gewesen ist. Wobei man auch sagen muss, und das ist das kleine Wunder an Greifswald, dass diese Medizin durch die Wende gekommen ist. Da gab es hier ein paar Leute, die es geschafft haben, dass die Landesregierung sagte: Wir machen die Medizin in Greifswald nicht zu, obwohl wir zwei Standorte im Land haben. Das ist das eigentliche, worüber man staunen kann, dass wir das OK aus Schwerin bekommen haben, die Medizin hier weiter zuführen.

Was war Ihre schwierigste Aufgabe als Dekan?
Durch den großen Zusammenhalt in der Medizin und der Universität konnte man Dinge, die sehr problematisch sind, in gemeinsamer Arbeit sehr gut erledigen. Wir haben zweimal die Rechtsformen weiterentwickelt: Früher war die Universitätsmedizin so was wie die Bibliothek. Dann wurde daraus eine Anstalt öffentlichen Rechts, die wirtschaftlich beweglicher war. Und nun im nächsten Schritt die Universitätsmedizin. Das waren schon größere Dinge. Was uns über die ganzen Jahre im Vorstand beschäftigt hat, war der komplette Neubau der universitären Medizin. Wenn Sie sich da in Deutschland umschauen, gibt es nicht so viele Standorte, die einen kompletten Neubau bekommen haben. Was ich auch glaube, was fundamental wichtig war: 1998 war es das Schlimmste, was Ihnen passieren konnte, wenn nach Hause ein Brief kam und sie hatten einen Medizinstudienplatz in Greifswald bekommen. Ja, es war der größte anzunehmende Unfall. Dadurch, dass der Studiendekan Klaus Heideke das ganze Studium sehr schnell umgestellt hat und wir uns wirklich intensiv um die Studierenden bemüht haben, ist die Nachfrage nach Studienplätzen wirklich explodiert. (mehr …)

Auf der Suche

Im Oktober steht die nächste Rektorwahl an. Zwei Kandidaten wollen den Posten ausfüllen: Professor Hannelore Weber und Professor Robert Seckler. In einer öffentlichen Anhörung sprachen sie über ihre Ziele und Motivationen.

Bis Ende Januar 2013 ist Professor Rainer Westermann noch im Amt als Rektor der Universität Greifswald. Nach ihm wird es zu einem Wechsel kommen, denn er schloss eine neue Kandidatur aus.

Die beiden Rektorkandidaten nach der öffentlichen Anhörung

Seine jetzigen Aufgaben, die Universität nach außen zuvertreten und die Rechtsübersicht über andere Organe, Gremien und die Studierendenschaft, wird auch sein Nachfolger haben. Nachdem das Stellenangebot für das Amt des Rektors ausgeschrieben wurde, gingen fünf Bewerbungen von unterschiedlichen Professoren außerhalb der Universität Greifswald ein. Nach eingehender Prüfung, schlug der Rektorwahlausschuss daraufhin Professor Robert Seckler vor; den Vizepräsidenten der Universität Potsdam, als Kandidaten. Professorin Hannelore Weber wurde als zweite Kandidatin von der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät vorgeschlagen. Beide Professoren wurden am 19. September von dem engeren Senat bestätigt. Die Wahl findet nun am 17. Oktober statt. Der neue Rektor wird dann ab dem 1. Februar 2013 sein Amt im Uni-Hauptgebäude in der Domstraße 11 antreten.

Professor Robert Seckler, wurde 1954 in Baden geboren. Nach seinem Abitur begann er das Studium der Biochemie an der Universität Tübingen, wo er 1984 promovierte. Seit 1998 ist er der Professor der Physikalischen Biochemie an der Universität Potsdam. Die Motivation für seine Kandidatur für den Rektorposten in Greifswald sieht er darin, dass er neue Aufgaben suche. „Meine fünf Kinder sind jetzt bald alle flügge“, sagt Seckler. Er würde sich jetzt mit ganzer Kraft der Universität Greifswald widmen. Ebenfalls um den Rektorposten bewirbt sich Professor Hannelore Weber, 1955 geboren. Ihre Laufbahn begann mit dem Publizistikstudium 1974. Im folgenden Jahr begann sie das Studium der Psychologie in Mainz. Sechs Jahre später absolvierte sie erfolgreich mit dem Diplom der Psychologie. Ein Stipendium für ihre Promotion von der Studienstiftung des Deutschen Volkes lehnte sie ab, da sie die Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Bamberg annahm.

Es folgte die Promotion 1987 und die Habilitation 1992 mit dem Thema „Über den Ärger“. 1994 zog sie nach Greifswald, da sie am den Lehrstuhl für Differentielle und Persönlichkeitspsychologie/ Psychologische Diagnostik berufen wurde, wo sie half, dass neu gegründete Institut der Psychologie aufzubauen. Gerade durch den Aufbau des Instituts fühlt sich Weber mit der Universität verbunden. Sie lehnte aufgrund einen Ruf nach Heidelberg ab. Für die Kandidatur bestärkte sie auch ihr Umfeld, viele Kollegen meinten, dass sie die geeignete Person sei. Emotional berührt tritt sie nun die Kandidatur zum Rektor an.

Das Lehramtsstudium soll bleiben

Beide Kandidaten sprachen sich am 18. September in einer öffentlichen Anhörung für den Erhalt des Lehramtsstudiums in Greifswald aus. Den Plan, das Lehramtsstudium in Mecklenburg-Vorpommern komplett nach Rostock zu verlegen, halten beide für nicht realisierbar. Gerade die neue Zielvereinbarung zeige, dass das Lehramtsstudium sowohl nach Rostock als auch nach Greifswald gehöre. Auf die Nachfrage nach der Erweiterung des Angebotes für Lehramtsstudenten, besonders in Richtung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät, reagierten Seckler und Weber ebenfalls gleich. Beide wollen das Angebot nicht erweitern, sondern lediglich die jetzigen Fächer beibehalten. Seckler erklärte weiter, dass er in Gesprächen mit der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät keine Begeisterung für das Lehramtsstudium an dieser Fakultät vorgefunden habe.

Ein weiterer gemeinsamer Punkt der beiden Kandidaten ist die Förderung der studentische Kultur. Genauso wie Seckler steht auch Weber dahinter. Man müsse noch mehr tun um Studenten nach Greifswald zu holen. Es sei nicht selbstverständlich für die Universität das Studenten sich zum Standort Greifswald hingezogen fühlen. Gerade die nicht vorhandenen Studiengebühren seien für Studenten attraktiv. Dies ist auch der Grund, warum sich Weber klar gegen die Erhebung von Studiengebühren ausspricht. „Ich möchte nicht, dass befähigte Schülerinnen und Schüler vom Studium abgehalten werden.“

Positiv bewertet Seckler, dass die Universität es geschafft habe,20 Prozent der Stellen zu streichen und dabei noch zu funktionieren. „Die Universität hat es geschafft, sich auf Stärken zu konzentrieren, die nach außen weiterhin sichtbar sind. Wir müssen daran arbeiten, dass das weiter so bleibt.“

Werbung um ausländische Studierende

Weiters Ziel für Weber sei die Verbesserung der Internationalisierung. „Bei einem Ranking der Alexander-von-Humboldt-Stiftung hat Greifswald einen erbärmlich schlechten Platz. Wir haben zu wenige ausländische Studierende und Promovierende“, so Weber. Hier müsse man für eine stärkere Internationalisierung werben. Ebenfalls kritisiert sie die momentanen Verhältnisse in der Zusammenstellung des Personals. „Wir stehen in der Gleichstellung noch zu schlecht da“ Es müssten viel mehr Hochschullehrerinnen und Professorinnen eingestellt werden.

Kritik übt auch Seckler am Bildungssystem, besonders an der Lage der Juniorprofessoren. Nach seiner Ansicht können viele Juniorprofessoren den weiteren Karriereaufstieg nicht mehr schaffen, da sie in ihrer Position festgefahren sind. Gerade hier würde er eine bessere Förderung vorantreiben.

In der Finanzierung sieht Seckler ebenfalls Verbesserungsbedarf. Mit knapp 50 Millionen Euro Förderung vom Land für 11 500 Studenten liegt Greifswald weit unter dem Durchschnitt. Durch eine stärkere Förderung durch das Land Mecklenburg-Vorpommern könnten „intelligente und junge Leute in das Land geholt werden, von denen viele hier bleiben, weil es ihnen so gut gefällt. Das setzt man aufs Spiel, wenn man die Universitäten schlecht ausstattet.“, erklärt Seckler gegenüber dem webMoritz.

Problematisch für Seckler ist die Tatsache, dass er seit dem 1. Dezember 2012 der Vizepräsident der Universität Potsdam ist und er dieses Amt noch bis 2014 inne hat. Falls er die Stelle in Greifswald bekäme, müsste er sein jetziges Amt niederlegen. Auf die Frage, ob er sich auch in Greifswald frühzeitig nach anderen Positionen umschauen würde, wenn er der neue Rektor sei, antwortet er vehemend. „Ich stelle mich darauf ein, an der Universität Greifswald nicht nur eine Amtszeit zu arbeiten, sondern so gute Arbeit zu machen, dass mich der Senat nach den ersten vier Jahren erneut wählt.“

Kaum Unterschiede zwischen den beiden

Auf den Betrachter wirkt es, als ob beide Kandidaten keinen klaren Standpunkt festigen wollen, um jenden in der Universität von sich zuüberzeugen. Kaum ein Unterschied ist zwischen den Aussagen von Seckler und Weber zu finden.

Erst im Oktober wird die Entscheidung fallen, wer die Nachfolge von Professor Rainer Westermann antreten darf. Ob nun ein weiterer Psychologe Platz auf dem Rektorstuhl nimmt oder aber ein auswärtiger Professor, der keinen Lehrstuhl an der Universität Greifswald hat, dies tun kann, bleibt offen.

Ein Bericht von Corinna Schlun mit einem Foto von Johannes Köpcke.