Menschen: Spitze dank einfühlsamer Kooperation

Ein Wissenschaftler appelliert an den freundlichen Affen in uns

Die Fähigkeit zur Empathie war entscheidend, damit die Menschheit an die Spitze des evolutionären Stammbaums gelangen konnte. Frans De Waal, renommierter Zoologe und Verhaltensforscher, plädiert darum für eine gütigere Gesellschaft. Er fordert, dass die menschliche Kompetenz, sich in die Gefühlslagen und Vorstellungswelt anderer Lebewesen hinein versetzen zu können, nicht länger unterschätzt werden darf. Der Naturwissenschaftler warnt vor der Fokussierung auf den Egoismus bei der Betrachtung evolutionärer Prozesse. Die Schlussfolgerungen mancher Ökonomen für die menschliche Gesellschaft seien „extrem gefährlich.“

Jeder ist sich selbst der Nächste. Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht. Das sind populäre Redewendungen im Alltag. Wenn nicht zu zustimmendem Gelächter, führen sie vielleicht zur Überlegung, ob da nicht etwas dran sein könnte. Charles Darwin ist schließlich damit berühmt geworden, gleichgültig und egoistisch wirkende Mechanismen als fundamentale Grundlage des ewigen Wettbewerbs der Individuen und einer evolutionären Entwicklung wissenschaftlich zu belegen.

Egoistische Prinzipien und der natürliche Sinn zum Eigennutz werden überschätzt, meint dazu Frans De Waal. In seinem Buch „The Age of Empathy: Nature’s Lesson for a kinder society“ erklärt er, warum Merkmale evolutionärer Prozesse nicht zu simplen und vorschnellen Schlüssen führen dürfen. Er warnt dabei vor drastischen Konsequenzen.

Der Naturwissenschaftler Frans de Waal warnt vor der Fokussierung auf den Egoismus bei der Betrachtung evolutionärer Prozesse.

Der Naturwissenschaftler Frans de Waal warnt vor der Fokussierung auf den Egoismus bei der Betrachtung evolutionärer Prozesse.

Der 61-Jährige ist Lehrstuhlinhaber für Psychobiologie an der US-amerikanischen Emory University und Leiter eines Primatenforschungszentrums. Der Forschungsschwerpunkt des gebürtigen Niederländers liegt bei Schimpansen und Bonobos. Die Erforschung der tierischen und menschlichen Entwicklung von Kultur und Moral steht im Mittelpunkt seiner Arbeit und dabei beschäftigt er sich auch mit der Entstehung von Empathie und Altruismus. De Waal verfasste ein Plädoyer, den empathischen Fähigkeiten mehr Bedeutung zu zumessen.

Bekannt ist zwar, dass in erster Linie ein natürlicher Egoismus die treibende Kraft im täglichen Konkurrenzkampf ist. So einfach ist es allerdings nicht. Wer die Entwicklung der Menschen verstehen will, muss die Evolution differenzierter betrachten, betont De Waal. Und warnt vor falschen Schlussfolgerungen. Die Blindheit gegenüber der Bedeutung kooperativem und einfühlendem Verhaltens könne nur eine der Folgen sein, meint er.

Denn wie ein bleierner Schleier legt sich ein Generalverdacht über jede zwischenmenschliche Handlung: Es steckt doch nur ein egoistisches Motiv dahinter, bewusst oder unbewusst. Echten Altruismus gibt es nicht, so ein Argument mit dem Verweis auf wissenschaftliche Befunde. Das Dasein war und ist ein blutiger Kampf von allen gegen alle.

Andere beziehen sich auf religiöse Vorgaben zur unbedingten Nächstenliebe, um uneigennützige Handlungen zu motivieren. Eine gottlose Welt wäre von Egoismus und Hass geprägt, predigte zum Weltjugendtag in Madrid vor einigen Wochen etwa Papst Benedikt XVI. den Tausenden Jugendlichen in seiner Botschaft und warb für seine Kirche. Er sieht in westlichen Ländern eine „Gottesfinsternis“. Sind deren Bewohner ohne die Hypothese „Gott“ also wirklich so voll Egoismus und Hass? Ein Blick auf den Global Peace Index lässt daran zweifeln. Dort zeigt sich: Säkulare und wenig religiöse Gesellschaften gehören zu den friedlichsten der Welt.

Und diesen liefert Frans de Waals vielleicht auch gleich noch neue Inspirationen für eine stärkere Wahrnehmung der menschlichen Empathie. Denn wohl jeder spürt, dass zwischenmenschliches Handeln glücklich machen kann und nicht bei jeder Kooperation ausschließlich der Gedanke an den individuellen Vorteil im Vordergrund steht. Oder wirkt hinter allem doch nur ein unbewusster Wahn? (mehr …)

Wird man ja wohl noch sagen dürfen – Das Phänomen Sarrazin

Unwillige Einwanderer, dumme Unterschichtler und “Judengene”: Thilo Sarrazin nimmt alle mit  in seinem Debatten-Rundumschlag. Er liebt die Provokation – vor allem, wenn alle mitmachen.

Schafft Deutschland sich selbst ab?

Der „Spalter der Nation“ (Der Spiegel) hat geniest. Laut und sehr unhöflich – wie immer. Keiner ist bereit, ihm ein Taschentuch zu geben. Angeekelte Gesichter meiden ihn, Unverständnis, erstes kritisches Gemurmel macht sich breit. So etwas macht man einfach nicht in der Öffentlichkeit. Nicht vor den Kindern. Nicht so – das hat Konsequenzen. Der Mann muss weg.

Sarrazin – Biologe, Bildungspolitiker, Eugeniker? Ernährungsberater, Bundesbanker, Sozialdarwinist, Rassist? Ausländerbeauftragter? Auf jeden Fall: Sarrazin gegen den Rest der Welt.

Der 65-jährige hält nicht still, muss andauernd Zustände kommentieren – ob aus fundierter Sachkenntnis, egozentrischer Überzeugung oder vielleicht sogar einer gewissen Erheiterung gegen vorhandene und scheinbare Tabus vorzugehen. Warum also nicht aus jemanden mit großer Klappe Profit schlagen?
Denn neben dem Autor kann sich auch der Bertelsmann-Konzern über den erfolgreichen Bestseller freuen. Eine Auflage von über 650 000 Exemplaren ist erreicht. Unkommentierte Auszüge im Spiegel und eine voreilige oberflächliche Kritik durch die Politik helfen gerne. Kanzlerin, Bundespräsident und der SPD-Parteivorsitzende reihten sich schnell in die immer größer werdende Kritikerschar ein. Die Pressewelt kann sich durch Sarrazin über starke Auflagen freuen. Eine Medienkampagne hat erfolgreich funktioniert.  (mehr …)

TITEL Die Herren des Atommülls – Das Zwischenlager in Lubmin

Das Zwischenlager Nord nahe Lubmin erwartet in den nächsten Monaten radioaktiven Müll aus Südfrankreich und Karlsruhe

Das stillgelegte Atomkraftwerk Greifswald in der Nähe von Lubmin aus der Luft

Laute Sirenen tönen und fiepen bis in jede Synapse der Ohren. Mit viel Druck ertönt während des Störgeräusches eine undeutliche dröhnende Frauenstimme: „Bitte verlassen Sie sofort das Gelände“ oder ähnliches ist noch knapp verständlich in der 28000 Quadratmeter großen Halle, die von grauen, ungeheuerlich wirkenden – zehn Meter großen – Betonwänden umgeben ist. Blaue Riesenquader sind bis zu Vierer-Reihen aufeinander gestapelt. Gelbe Tonnen mit dem radioaktiven Warnsymbol stehen geordnet in Reih und Glied. Steriles grelles Licht beleuchtet das Innere der überdimensionalen Halle, welche am Rand des Naturschutzgebiets Lubminer Heide liegt. In direkter Nachbarschaft ragen die großen tristen Quaderblöcke des abgeschalteten Kernkraftwerks bei Lubmin in den Himmel. Von dort werden abgebrannte Brennelemente und andere – mit Strahlung kontaminierte – Maschinenteile in das eigens dafür angelegte Zwischenlager Nord (ZLN) transportiert, damit sie dort abgeschottet von der Außenwelt ausstrahlen können und einen Großteil ihrer Strahlung verlieren.

Während alle, die sich im ZLN befinden, eine ebenso grau in grau wirkende Tür öffnen und sich vor dem grollenden Warnsignal im Umkleideraum sichern, verbietet das Feueralarmgeräusch jegliche Konversationen. Am Kontrollpunkt zum ZLN wirkt die Situation entspannt, es scheint offensichtlich, dass Begebenheiten wie diese Routine sind bei den Mitarbeitenden. Es wird gelacht, sich ausgetauscht, eine Zigarette geraucht, bis der Alarm vorbei ist. Es käme öfter vor, dass Probealarme stattfinden, erfahren wir während des gemeinsamen Abwartens. Allerdings nur Fehlalarm, wie Marlies Phillip, Pressesprecherin der Energiewerke Nord GmbH (EWN) uns später mitteilen wird. (mehr …)

Die Kleinen mal ganz groß – Greifswald an der Spitze

Eine Studie aus Nordrhein-Westfalen ermittelte Greifswald zur kreativsten Stadt in Mecklenburg-Vorpommern

Greifswald ist die kreativste Stadt in Mecklenburg-Vorpommern. Das zumindest behauptete die Greifswalder Ostsee-Zeitung Ende August auf ihrer Internetplattform sowie der NDR 1 in seinen Nachrichten. Sie stützen sich damit auf eine Studie der Beratungsfirma „agiplan“ (Nordrhein-Westfalen), die das kreative Potenzial von kreisfreien Städten in ganz Deutschland untersuchte. Gemessen wurde dieser Ideenreichtum anhand der Theorie der „Kreativen Klasse“ von Richard Florida (USA), bei der es sich um eine Wirtschaftstheorie handelt. Kreativität und Innovation werden hier als Standortsfaktor für Unternehmen und das ökonomische Wachstum einer Region festgelegt. (mehr …)

„Viele Mängel können wir nicht beseitigen“ – Rektor Rainer Westermann im Gespräch

moritz Herr Westermann, als Rektor, Lehrstuhlinhaber und Professor haben Sie immer allerhand zu tun, wie entspannen Sie sich am liebsten nach der Arbeit?
Prof. Westermann Am liebsten in unserem Garten.

moritz Der Entwurf des Gesetzes zur Novellierung des Landeshochschulgesetzes sieht eine Stärkung Ihres Amtes vor. Begrüßen Sie das oder ist Ihrer Meinung nach eine Stärkung der Demokratie an unserer Universität von Nöten?
Westermann Ehrlich gesagt, sehe ich im Regierungsentwurf gar keine gravierende Stärkung des Rektors. Er soll zwar einerseits gewisse Entscheidungsrechte innerhalb der Geschäftsbereiche der anderen Rektoratsmitglieder bekommen, die gibt es aber bisher auch schon auf Grund der Richtlinienkompetenz. Man sollte davon aber sowieso nur im äußersten Konfliktfall Gebrauch machen. Auf der anderen Seite soll die Stellung des Rektors nach dem Regierungsentwurf dadurch geschwächt werden, dass nicht er, sondern der Kanzler Dienstvorgesetzter des Verwaltungspersonals ist. Ansonsten sind meiner Meinung nach sowohl die demokratische Legitimation als auch die demokratische Kontrolle des Rektorats vernünftig geregelt. (mehr …)