Bei einem Pressetermin informierte der Bau- und Umweltausschuss der Stadt Greifswald am Dienstag über die geplanten Maßnahmen eines Radverkehrsplanes im Rahmen des Klimaschutzkonzepts der Hansestadt. Hauptaugenmerk der Maßnahmen sei die Verbesserung der Infrastruktur des Radwegnetzes, sagte Gerhard Imhorst, Verkehrsplaner der Stadt. Die vorgestellten Maßnahmen sind aber vorerst nur Planungen, was davon umgesetzt wird, ist noch nicht entschieden.
In der Vergangenheit wurden bereits die Diagonalquerung der Europakreuzung und die Fahrradmagistrale vom Berthold-Beitz Platz über die Domstraße zum Bahnhof ins Gespräch gebracht. Ersteres soll möglichst noch in diesem Jahr umgesetzt werden.
Basierend auf den Erhebungen im Mai 2009, in deren Folge sich Greifswald selbst den Titel “Fahrradhauptstadt” verlieh, wurde ein Plan zur Verbesserung der Bedingungen des Radverkehrs erstellt. Ziel des Radverkehrsplanes sei es, mehr Menschen aufs Rad zu bringen und so einen Teil zum Schutz des Klimas beizutragen, heißt es bei der Stadt. Neben der Infrastruktur soll auch der Service sowie die Öffentlichkeitsarbeit für den Radverkehr verbessert werden. Beim Service mangelt es derzeit wohl am meisten – zu erkennen an den ungeräumten Fahrradwegen. Aber auch bei der Öffentlichkeitsarbeit gibt es noch Nachholbedarf: So soll hier künftig mit den Schulen zusammengearbeitet werden, um Kindern das Radfahren näher zu bringen. Die Idee wäre eine Art Mobilitätserziehung mit Kindern. “Mit dem Rad zur Schule statt mit Mama-Taxi” könnte das Motto lauten.
Anklamer Straße: Straße oder Gehweg?
Die weitreichendste Idee zur Verbesserung der Infrastruktur ist es, die Radwegbenutzungspflicht auf der Anklamer Straße aufzuheben und Radschutzstreifen auf der Fahrbahn einzuführen. Die Radfahrer sollen dann die Wahl haben, ob sie auf der Straße fahren oder den weiter bestehenden kombinierten Rad- und Fußweg nutzen. Verkehrsplaner Imhorst ist sich bewusst, dass dies die Wahl zwischen zwei unangenehmen Alternativen ist. Auch langfristig ist aber eine Umgestaltung der Anklamer Straße wohl nicht in Sicht. Eine Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit wäre dann ebenfalls denkbar, teilte uns Imhorst auf Nachfrage mit.
Weitere Radwege in Planung
Neue Radwege oder Radfahrstreifen könnten unter anderem hier eröffnet werden:
- beidseitige Freigabe des Hanseringes von der Europakreuzung bis zum Fangenturm, einseitig bis zur Stralsunder Straße.
- Auf der Franz-Mehring Straße soll ein Radfahrstreifen entstehen.
- Die Stephaniestraße soll auch in Gegenrichtung freigegeben werden.
- Die Grimmer Str. bis zum neuer Friedhof soll ebenfalls einen Radweg oder Radfahrstreifen erhalten.
Durchgehende Fahrradmagistrale vom Neuen Campus bis in die Innenstadt
Die Mühlenstraße soll zur Errichtung der Fahrradmagistrale zur Fahrradstraße umfunktioniert werden und dann über den Markt zur Domstraße weitergeführt werden. Damit wären der Campus Berthold-Beitz-Platz und der Campus an der Rubenowstr, per Fahrrad direkt verbunden – vorausgesetzt, die Diagonalquerung an der Europakreuzung wird umgesetzt. Dies ist aber nach Angaben der Stadt inzwischen sehr wahrscheinlich, da im Haushalt für bereits 100.000 Euro für dies Maßnahme eingestellt wurden und auch der politische Wille zur Umsetzung besteht. Wie allerdings die Walther-Rathenau-Straße gequert werden soll ist noch nicht klar. Ein erster Vorschlag vom verantwortlichen Planungsbüro aus Greifswald liegt vor.
Ein Neubau von Radwegen ist an den Hauptverkehrsstraßen Gützkower Landstraße und Stralsunder Landstraße angedacht. Vor allem an der Stralsunder Landstraße gibt es großen Nachholbedarf. So ist es derzeit nur auf der vielbefahrenen B106 möglich, das Einkaufszentrum “Marktkauf” per Rad zu erreichen.
Auch touristisch könnte die Radwege genutzt und erschlossen werden. So schwebt den Planern eine “Greifswald-Route für Touristen und Neubürger” vor. Diese Route selbst ist zwar schon vorhanden, müsse aber noch besser vermarktet werden.
Fahrradparkhaus in der Domstraße
Neu ist der Vorschlag der Errichtung eines Fahrradparkhauses in der Domstraße. Hier sollen vor allem die Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Fahrradtouristen die Möglichkeit erhalten, ihr Rad sicher und trocken abzustellen. Zusätzlich soll ein Infoladen, eine Selbsthilfewerkstatt und das Büro des ADFC integriert werden. Trotz des Titels “Fahrradhauptstadt” fehle es doch an einer gewissen “Radkultur”, wie man sie in Münster beispielsweise finden würde, so Imhorst. Dies könne sich nun ändern mit den angestoßenen Projekten.
Der vorgestellte Entwurf wird bei der 3. Bürgerversammlung für mehr Klimaschutz am 27. Januar um 18 Uhr im Rathaus den Greifswaldern vorgestellt und diskutiert.
Kommentar von Sandro Teuber
Der Radverkehrsplan hat viele gute Ideen zu bieten. Er verbindet, die wichtigsten Achsen der Stadt. Die Fahrradfahrer erhalten Vorfahrt und gewinnen an Bedeutung. Die Innenstadt rückt ein wenig näher an den Mediziner-Campus und umgekehrt. Auch die Fußgänger profitieren von den Vorschlägen, da die Radler vermehrt auf die Straße geschickt werden. Das entspannt die Situation auf den Gehwegen, mussten sich doch viele Radfahrer in der letzten Zeit mit kritischen Tönen auseinandersetzen. Das gipfelte in der vergangenen Woche mit der sinnfreien Forderung von Bußgeldern für Radfahrer in der Ostseezeitung, der sich denn auch brav alle genervten Verkehrsteilnehmer anschlossen.
Was die Autofahrer davon halten, ist klar. Sie fühlen sich von allzu vielen “Verkehrshindernissen” in ihrem Bleifußgehabe gestört. Berührungsängste sollten die Radfahrer dennoch nicht haben, denn laut Verkehrsstudien ist das Fahrradfahren auf der Straße sicherer als auf Radwegen.
Nun schlägt die Stunde aller Radverkehrsbefürworter. Welchen Sinn machen überhaupt der Durchgangsverkehr in einer Stadt, in der der Großteil der Wege zu Fuß oder per Rad zurück gelegt werden? Wie sehe es denn damit aus, den Autoverkehr zumindest im Stadtkern zu sperren und den geräuschlosen Verkehr Vorrang zu gewähren?
Bilder: Sandro Teuber (Pressekonferenz), Stadtverwaltung (Sonstige)
Also ich kann es ja noch nicht so richtig glauben – vor allem nach der Winterpolitik der selbsternannten “Fahrradhauptstadt”. Aber das klingt schon mal interessant…
@ Sandro: Danke für die detaillierten Infos zur Radwegeplanung und für den exzellenten Kommentar!
"Wie sehe es denn damit aus, den Autoverkehr zumindest im Stadtkern zu sperren und den geräuschlosen Verkehr Vorrang zu gewähren?" – Das wäre endlich das verkehrspolitische Ankommen Greifswalds im dritten Viertel des 20. Jahrhunderts! 😉
Vielleicht sollte die Stadt Greifswald zukünftig eine konkrete Kooperation mit Städten wie Münster und Freiburg eingehen und sich über gemeinsame Radwegekonzepte austauschen, statt sich selbst zur "Fahrradhauptstadt Deutschlands" zu krönen.
Also wenn das wirklich umgesetzt wird, wäre das echte ne super Sache. Endlich mal ein Schritt in Richtung "Fahrradhauptstadt".
Also das Aufstellen von Schildern zur Fahrradstarße scheint mir ja eher symbolisch zu sein, denn wirklich geändert hat sich ja seit deren Einführung in der Blum/Petershagen Straße ja nicht. Außer das es diesen Winter so verdammt viel geschneit hat, dass selbige Fahrradstraße jetzt ein Acker aus Schnee, Eis und Matsch ist. Naja, vielleicht sollte man den Zusatz anbringen: nur im Sommer.
Viel lobenswerter dagegen wirkliche Infrastrukturmaßnahmen, wie neue Fahrstreifen auf den Fahrbahnen und vor allem auch verbesserte Fahrradwege ins Umland.
Der feine Herr Hochschild scheint neuerdings alle webMoritz-Themen zu kommentieren. Er hat heute einen besonders armseligen Kommentar zur Diagonalquerung abgesondert, hier nachzulesen:
http://www.cdu-greifswald.de/aktuelles/news-detai…
Das der jetzige Zustand der Europakreuzung eine erhebliche Benachteiligung für Fußgänger und Radfahrer gegenüber dem motorisierten Verkehr darstellt würde Malerermeister Klex natürlich niemals erkennen.
Fußgänger und Radfahrer dürfen sich teilweise schmale Gehwege teilen und die Fahrbahnen auf völlig unterdimensionierten Furten queren, wobei regelmäßig ätzendes Gedrängel herscht. Dort wo "Pseudo"-Radwege auf dem Gehweg angelegt sind ist oft die Flächenzuordnung nicht eindeutig (Was ist jetzt Radweg und was Gehweg).
Die Diagonalquerung wäre also nur ein erster ausgleichender Schritt zugunsten vor allem der Radfahrer.
Bin mal gespannt, wie die Pläne einer grundsätzlichen Umgestaltung der Verkehrsführung von Radfahrern auf der Europakreuzung aussehen werden. Das wird nämlich in den nächsten Jahren kommen. Wenn die Radwegebenutzungspflicht in der Anklamer aufgeboben wird und im Hansering Radfahrstreifen bzw. Schutzstreifen für Radfahrer (ist wahrscheinlicher als der Bau von Radwegen) angelegt werden, muss es eine neue Verkehrsführung im Bereich der Kreuzung geben.
Als Fußgänger muß man sich auf der Seite Lange Reihe/Goethestraße auch ziemlich beeilen, um rechtzeitig am Mühlentor zu sein. Klar, man könnte in der Mitte warten, aber dann nochmal 5 Minuten länger an der Ampel stehen, während reihenweise die Autos vorbeifahren? Ist auch nicht so schön. Klar, als Autofahrer möchte man auch nicht lange warten (und meist ist ja die große Traube von Radfahrern und Fußgängern auch recht schnell drüben), aber hier herrscht in der derzeitigen Situation nun wahrlich nicht die Gleichberechtigung, die gefordert wird.
Hinzu kommt, daß der Ausbau der Fahrradachse soll ja letzendlich auch weiter motivieren soll, vom Auto aufs Rad umzusteigen. Dann wird der Autoverkehr vielleicht auch mal weniger.
Da fragt man sich, ob er jemals an dieser Kreuzung als Fußgänger oder Fahrradfahrer stand.
Da ist es ein leichtes zu bemerken, dass man niemanden stört wenn man zusammen mit den Abbiegern die Kreuzung quert.
Ich glaube am einfachtsen wäre es, wenn man das Diagonalqueren nicht ahnden würde. Bei 100.000€ für etwas, das schon jetzt so leicht möglich wäre, wird mir ganz schwindlig…
Ich frag mich auch, wofür da die 100.000 EUR eingeplant werden. Von den Kosten her wird mensch mit einer neuen Fahrbahnmarkierung und ein paar neuen Hinweis-/Verkehrsschildern dabei sein. 100.000 EUR mag das wohl kaum kosten.
Da müsen ja zusätzliche Signale für die Radfahrer hin. Und die Ampelumprogrammierung lässt sich Siemens mit Gold aufwiegen – sowas ist teuer.
Zudem müssen die Bordsteine an zwei Stellen abgesenkt werden.
Möglicherweise wird dann auch eine diagonale Fahrbahnmarkierung für Radfaher auf der Straße aufgetragen werden müssen.
die angedachten projekte gilt es auf jeden fall zu unterstützen. bis zu dem titel fahrrad hauptstadt fehlt dann aber immer noch ein großes stück. auch bin ich gespannt in welchem zeitraum das alles geschehen wird.
Teilweise empfinde ich es als ein wenig anmaßend, wenn von der Stadt Wunderdinge in der Verkehrspolitik und der Verkehrplanung abverlangt werden. Vielleicht sollte man gelassener an die ganze Sache gehen. Was ist denn bitte so schlimm daran ein oder zwei Minuten (ich habe die Zeit noch nie gestoppt) an einer Kreuzung zu warten?