In einem Artikel der Ostsee-Zeitung hat der Chef des Greifswalder Amtgerichts, Rudolf Kirchner, vor einigen Tagen Geldstrafen für “Radler-Rowdys” gefordert. Er sagte dem Lokalblatt: “Studenten verstehen nur die Sprache des Geldes.” Die Polizei solle besser eine Gebühr von 10 Euro erheben, anstatt nur zu ermahnen. Dem Artikel schloss die Ostsee-Zeitung sich auch gleich eine Online-Umfrage zu diesem Thema an, die zurzeit noch läuft und in der ein Großteil der Teilnehmenden eben diese Geldbußen befürworteten.
Der Artikel scheint viele Greifswalder an einem wunden Punkt zu treffen, wie es den eingesandten Leserbriefen zu entnehmen ist. Bodo Müller aus Potthagen schreibt, dass Einbahnstraßen und rote Ampeln diese “Klientel” nicht interessierten. Noch einen drauf setzt der heute veröffentlichte Brief von Claudia Voß aus Greifswald. Für sie sind Radfahrer “wirklich mehr als ignorant und denken offenbar, sie könnten sich alles erlauben.”
Was dem Herrn des Amtsgerichtes aber offenbar noch nicht aufgefallen ist und auch von den Journalisten der Ostsee-Zeitung nicht beachtet wurde: Die Polizei verteit bereits eifrig Bußgelder an Fahrradfahrer. Der webMoritz hatte bereits im Dezember über die Radkontrollen der Polizei berichtet und auch Greifswald-Blogger Oliver Wunder berichtete in seinem Blog darüber, für eine Ordnungswidrigkeit auf dem Fahrrad zur Kasse gebeten worden zu sein. Für den aktuellen Artikel verlieh er der Ostsee-Zeitung auch gleich noch einen “Populismuspreis”.
Foto: Torsten Krüger
"Bodo Müller aus Potthagen schreibt, dass Einbahnstraßen und rote Ampeln diese “Klientel” nicht interessierten."
"Klientel": Was besagter Bodo Müller aus Potthagen sonst noch so an krudem Zeug von sich gibt, können wir z.B. der aktuellen Zeitung zur Urabstimmung entnehmen. Dort wird ein Leserbrief aus der OZ von ihm zitiert:
"Hier wird, angeführt von linksradikalen Politprofessoren versucht, eine Art Exempel zu statuieren. Man müsse nur lange genug wühlen verlogene Propaganda betreiben, dann wird der Gegner weich. […] Es wird Zeit das sich die Universität von der unwissenschaftlichen Fakultät der 'Politikwissenschaften' verabschiedet und sich technischen Fakultäten öffnet oder die medizinischen ausbaut." [Anmerk.: Orthographie nach dem Original]
Offensichtlich darf (oder muss) man irgendwo auf dem Weg zwischen Greifswald und Potthagen sein Gehirn abgeben um weiterfahren zu dürfen.
Selten so einen Dummfug gelesen…
übel! das ist echt nicht mehr zu toppen!
Erschreckend, was für finsterer Nonsens so in der OZ abgedruckt wird.
Muss nur ich beim Lesen dieser Entgleisung an brennende Fackeln und Heugabeln denken?
Vielleicht macht man das ja in Potthagen so. Traurig und schlimm.
Außerdem gibt es nur eine Wissenschaft der Politik, Herr Bodo Müller aus Potthagen.
Olivers Idee mit dem Populismuspreis für die OZ finde ich unterstützenswert. Ein klein wenig Recherche hätte ja ergeben, daß die Polizei schon seit geraumer Zeit nicht nur mehr ermahnt, sondern auch Bußgelder verhängt. Im Dezember hatten ja schon einige Blogs und der Webmoritz über das Thema "moderne Wegelagerei" berichtet. – Daß von dieser Praxis bei Herrn Kirchner im Amtsgericht nichts ankommt, mag vielleicht daran liegen, daß er sich nur aus der OZ informiert. Damit schlösse sich dann der Kreis wieder.
Wie zu hören war, steht bei der OZ auch ein Wechsel in der Redaktion bevor. Offenbar wird Herr Ammler die Lokalredaktion verlassen. Als neuer Nachfolger ist Benjamin Fischer im Gespräch – ob sich die Qualität des schnarchigen Regionalblattes aber dadurch wirklich verbessert, bleibt fraglich, siehe auch den "investigativen Journalismus" von Benjamin Fischer im Falle "Ratjen in der Thor Steinar-Kundendatei": http://www.webmoritz.de/2010/01/04/wie-kommt-mdl-…
Das bischen was die Polizei da macht reicht nicht im geringsten aus… ich fahr gern mitm Rad… allerdings weiss ich als Autofahrer auch genau warum Licht und ein paar Verkehrsregeln sinnvoll sind…
Herr Müller würde sich in Münster wohl gar nicht aus dem Haus trauen oder gar in Holland, wo Passanten frühestens zwei Sekunden vor dem Einschlag angeklingelt werden…
Allein die Aussagen, uns komme man nur über das Geld bei, zeigt doch, das die Schreiber keine Ahnung haben.
Ordnen wir das unter "therapeutisches Schreiben" ein, wenn sich Einzelne über "die Studenten" in der OtZe auslassen, danach geben die wieder ein Jahr Ruhe…
Einzelne..? So ziemlich jeder den ich kenne der Auto fährt ist der Meinung, dass es in HGW auffällig viele Radler ohne Licht oder in falscher Fahrtrichtung/Seite gibt…
sogar hier im Forum stehen ähnliche Worte über dieses Thema…
Und erst wenns Kohle kostet achtet man drauf, das ist nicht nur bei radfahrenden Studenten so…
Habe gestern noch jemanden ganz in Schwarz ohne Licht flasch rum eine kaum geräumte Einbahnstrasse hoch fahren sehen, solchen Leuten ist kaum zu helfen. Allerdings fahren mMn die meisten vernünftig. Ich hatte mehr Vorfälle mit Kamikaze-Omas, die einfach draufhalten und Autofahrern als mit Radlern. Vielleicht bin ich da einfach mehr gewöhnt und deshalb wenig sensibel 😉
Du hast mit dem Geld natürlich recht, jemandem der sein Fehlverhalten nicht einsieht, kann man nur bestrafen. Aber ob das ein Studentenproblem ist?
Ich find's echt ne Dreistigkeit, was sich die OZ hier veranstaltet. In einer Stadt, die sich "Fahrradhauptstadt" nennt, aber außer ein neues Schild "Fahrradstraße" aufzuhängen nichts für die Verbesserung der Radwegesituation unternimmt, nun einen derartigen Artikel zu bringen, in dem gegen Fahrradfahrende – nein, natürlich nur studentische Fahrradfahrende – gewettert wird, in dieser dumpfen Manier – das ist einfach nur arm.
Ich selbst wurde auf dem Weg zur Uni schon von einem Autofahrer angefahren. Obwohl ich vor ihm gefahren bin – bei Sonnenschein und mit Licht an – und an der Kreuzung angehalten habe, ist er mir hinten ins Rad gerollt. Heute wurde ich – weil ich es eilig zur Uni hatte und deswegen ausnahmsweise bei der Witterung das Rad genommen habe – beim Fahrradfahren auf der Gützkower Landstraße beinahe von einem Bus angefahren, weil ich den Fahrradweg wegen fehlender Räumung nicht befahren konnte und dementsprechend weiter auf die Straße auswich. Obwohl es keinen Gegenverkehr gab, hat sich der/die BusfahrerIn gedacht, hup ich mal und fahr in unter 50cm Abstand an der vorbei.
Nichtsdestotrotz finde ich, es ist eine zweiseitige Sache. Einerseits gibt's Sachen wie Beleuchtung bei Dunkelheit und Benutzen der Radwege, was natürlich eingehalten werden sollte. Andererseits gibt es auch Umstände, für die die Stadt (und zumindest bei Schnee auch die Einwohnenden, die vor ihrer Haustür Schnee schieben müssten, was hier aber wohl auch kaum jemand macht) zu sorgen hat. Sei es, dass die Ampelschaltung an der Europakreuzung selbst für FußgängerInnen eindeutig zu kurz ist, dass Fahrradwege nicht geräumt werden bzw. der Schnee von der Straße kurzerhand auf den Fahrradweg gekippt wird oder Fahrradwege schlecht befahrbar sind, weswegen Leute dann natürlich auf der anderen Seite fahren…
Anstatt dass also die OZ einen kritischen Artikel über die Fahrradfahrsituation Greifswald schreibt, gibt sie einem Richter, der anscheinend Stigmatisierung für das beste Mittel hält…Wirkt irgendwie seltsam, nachdem doch Benjamin Fischer bei twitter selbst meinte, dass einseitige Berichterstattung nicht dem Pressecodex entspricht… (Webmoritz berichtete: http://www.webmoritz.de/2010/01/04/wie-kommt-mdl-…
Folgenden Online-Leserbrief in der OZ finde ich sehr passend:
"Was meint der ehrenwerte Richter Kirchner mit „Studenten verstehen nur die Sprache des Geldes“. Der Titel lässt vermuten, er fordert härtere Strafen für "Radler-Rowdys". Meint er nun alle Radfahrer oder nur studierende Radfahrer. Hat ein Radfahrer mit Diplom einen Freifahrtschein oder versteht er nur die Sprache des Geldes nicht mehr? Oder meint er etwa, dass nur Studenten radfahren? Oder gar, dass man mit der Aufnahme eines Studiums zum Rowdy wird? Anschließend wird man dann wohl mit dem Jura-Staatsexamen vom Rowdy zum Richter? Von der maßlosen Hochmut befürchten lassenden Aussage abgesehen, macht sich bei mir großes Unverständnis breit!
schreibt Falko Roedel aus Greifswald"
http://www.ostsee-zeitung.de/lokal/leserbriefe_ar…
Da pflichte ich dir bei, der Brief ist gut und treffend. Die Debatte kreist zu sehr um den Begriff Student, während "Greifwalder" die bessere Formulierug wäre.
Jo billige Stimmungsmache. Klar reg auch ich mich regelmäßig über Radfahrer auf. Aber ich reg mich ja auch über Autofahrer auf. Der Begriff Schein-Debatte trifft es. Fast müßte man meinen, es wäre Sommerpause.
Allerdings regen Sie sich nicht nur als Langeweile auf. Greifswald hat eine hohe Raddichte. Ergo sieht man regelmäßig irgendeinen Radler an der Europakreuzung in der Fußgängerzone der Altstadt scheiße bauen. Der Prozentsatz der Bösen Radfahrer ist hier nicht höher, wir haben einfach nur insgesamt mehr Radfahrer.
Vom Direktor eines Amtsgerichts würde ich mehr erwarten als solch ein undifferenziertes, dummes Geschwätz. Anders als dumm kann ich das, was die OZ da abgedruckt hat, gar nicht bezeichnen.
Entweder der Richter kennt den Bußgeldkatalog zur StVO nicht, indem auch eine Menge Tatbestände für Radfahrer aufgeführt sind oder er hat noch nicht gemerkt, dass die Polizei seit mehreren Jahren – vermutl. schon die letzten 50 Jahre – auch Radfahrer Verkehrskontrollen unterzieht und mit Verwarn- und Bußgeldern bedenkt.
Das es beim Amtsgericht Greifswald kaum Verfahren wegen Verwarn- oder Bußgeldern bei Radfahrern gibt, könnte auch viele andere Ursachen haben, außer der, dass Radfahrer in Greifswald nicht oder kaum mit Geldbußen bedacht werden. Vllt. sind die meisten erwischten ja einsichtig od. es erscheint vielen einfach nicht lohnenswert wegen 10,- Euro vor Gericht zu ziehen.
Also, was will der Mann eigentlich?
Und was bewegt die OZ dazu gerade jetzt und in so einer plumpen Weise das altbekannte Thema wieder aufzuwärmen?
Anfang Dezember war ein Artikel in der OZ , in dem unter anderem erwähnt wurde, wieviele Bußgeldbescheide an Fahradfahrer vertreilt worden sind. Bis zu dem Zeitpunkt waren es keine 600 Stück. Das sind für pro Tag, wenn überhaupt, 2 Bescheide. Was er wohl will, ist einfach eine bessere Kontrolle der Verkehrssünder. Und laut der Statistik der Polizei hat er damit wohl auch recht. 2 erwischte radelnde Verkehrssünder pro Tag sind wohl keine organisierte Abzocke.
Klar gibt es einige die ohne Licht und Klingel fahren, aber in der OZ kommt es so rüber, als würden das alle Studenten tun. Was das auf der falschen Seite fahren betrifft, könnte es vieleicht daran liegen, dass einige Wege eine Zumutung für Radfahrer ist, gerade jetzt im Winter.
Die Leute, die sich beschweren über das Verhalten der Fahrradfahrer, sind vieleicht eher wie Hans guck in die Luft, wechseln ohne zu gucken den Weg und wundern sich, dass plötzlich ein Radfahrer gibt.
genau wegen solchen Sprüchen bewege ich mich keinen mm wenn ein Radler mir auf dem Gehweg entgegenkommt oder mich auf demselben von hinten anklingelt… 🙂
@sabal: alle Verkehrsteilnehmer sollten Rücksicht aufeinander nehmen… In der Regel nehmen die Autofahrer wenig Rücksicht auf Radler oder gar Fußgänger… Ich finde in der OZ (die Debatte geht schon länger besonders in den Hausmitteilungen wurde z.B. schon angedeutet Radler am Gepäckträger festzuhalten wenn sie den Boulevard vefahren) wird es eher so dargestellt als wenn eine spürbare Mehrheit der Radler in Greifswald wenig an die eigene Sicherheit und die Wegepflicht denkt… nach dem Motto : die anderen bremsen schon oder springen zur Seite…
Ich hatte das zweifelhafte Glück nen Radler übers Auto zu schleudern weil der Lebensmüde anscheinend zu faul war die Vorfahrt zu beachten…seine ersten Worte nachdem er die Augen wieder öffnete waren : "ist hier Rechts vor Links"…
Was ich sagen will ist ich hätte sogar gebremst um das zu vermeiden… manchmal ist es allerdings echt zu spät… so wie es auf dem Wall Querung Lutherstrasse regelmässig zu beobachten ist… Eine Masse von Radlern fährt grundsätzlich nebeneinander und ohne zu schauen über die Strasse… hab mir schon öfter den Spass gemacht das zu beobachten… es sind meist junge Leute unter 30 die ohne die Strasse zu beachten rüberfahren…
Einen in meinen Augen guten Lösungsansatz für das Problem bei kreuzenden Straßen konnte ich in Schweden erleben, als ich dort eine Zeitlang gelebt habe. Dort wird stets versucht, dass sich Radwege und normale Straße erst gar nicht kreuzen, sondern mittels Brücke oder Tunnel dafür zu sorgen, dass Radfahrer und Fussgänger sozusagen unbehelligt von Autos vorankommen. Ich hatte es selber ausprobiert, und man war wirklich schneller unterwegs ohne Gefahrenpotential durch Autofahrer. Vielleicht wäre das auch mal ein Denkmodell für Deutschland. Schöner ist es für Radfahrer ja nur noch in den Niederlanden…
Ich kann dir mit den Tunneln und extra-toll-ausgebauten Radwegen in Schweden nur zustimmen. Aber ich glaube für HGW ist sowas echt utopisch, wenn sie es noch nicht mal hinkriegen, Streusalz vor dem Winter zu bestellen und Räumfahrzeuge ordnungsgemäß einzusetzen…
Mir würde es ja schon reichen, wenn wir an den Kreuzungen breitere Fahradstreifen hätten. Aber allein, dass man in Planung hat eine Querüberkreuzung auf der Europakreuzung einzuführen ist schon einguter Fortschritt. Fragt sich nun ob man jenes noch zu seinen Studienzeiten erleben kann.