?21? von Robert Luketic

Spielt ein amerikanischer Film an einer Uni und zugleich auch noch in Las Vegas, spricht dies junge Kinogänger an. Der Traum vom schnellen Reichtum im Glücksspiel, dem gut aussehende Figuren nacheifern allein reicht aber nicht, um Robert Luketics Film eine Chance zu geben.

Bevor das Filmstudio Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) in einem Fünf-Milliarden-Dollar-Deal an ein Finanzkonsortium verkauft wurde, waren selbstständig produzierte Filme für den Hollywood-Major bedeutet. Zum einen um die eigene  Filmbibliothek durch neue Werke zu vergrößern und aufzufrischen und zum anderen um die verschiedenen Abteilungen des Unternehmens am Leben zu halten. Denn wozu benötigt man eine Produktionseinheit und der Kino- und Home Entertainment-Vertrieb, wenn diese nicht arbeitet und dem zahlenden Zuschauer keine frische Ware angeboten werden kann.

Das Filmgeschäft ist langwierig. Der nun unter dem Titel „21“ in den deutschen Kinos gebrachte Film beweist es deutlich. MGM erwarb vor sechs Jahren die Verfilmungsrechte an „Bringing Down The House“, einem Sachbuch von Ben Mezroch. Darin beschreibt der Autor, wie er als Student durch reine Mathematik ein reicher – aber nicht unbedingt glücklicherer – Mensch wurde, indem die noch vorhandenen Karten im Black Jack einfach ausgezählt wurden und nur bei guten Gewinnchancen gegen die Bank gespielt wurde. Als Arbeitstitel war „Breaking Vegas“ angedacht und Brett Ratner (Rush Hour 1-3) sollte die Regie übernehmen. Dieser wechselte aber kurzfristig zur Blockbusterproduktion  des dritten „X-Men“-Films und Shawn Levy versuchte sich an diesem Projekt. MGM hatte ihm vorher die Neuauflage des 1960er-Klassikers „Der rosarote Panther“ anvertraut.

Da im Jahr 2005 das von Sony geführte Konsortium MGM übernahm und somit auch den neuesten „Pink Panther“-Streifen, wechselte die Studenten-tricksen-Las-Vegas-aus-Geschichte kurzerhand auch zu Sony Pictures und Levy wurde 2006 als Regisseur angekündigt. Die ganze dabei war Kevin Spacey. Der im letzten Jahrzehnt zweifach mit dem Oscar ausgezeichnete Darsteller wollte nicht nur die Rolle des väterlichen Mentors übernehmen, sondern auch mit seiner Produktionsfirma Trigger Street mitproduzieren.

Bis der dann neubenannte Film „21“ aber die Leinwand erreichte, übernahm dann aber eine dritte Person das Ruder: Robert Luketic. Der Australier hatte seinen ersten großen kommerziellen Erfolg mit „Natürlich blond“. Dies war ebenfalls ein Film der MGM und einer ihrer seltenen Erfolgen der letzten Jahre, sieht man von der James Bond-Filmen einmal ab.

Alle drei Regisseure hätten „21“ inszenieren können, ein künstlerischen Unterschied wäre auch denkbar, doch die Luketicschen Umsetzung langweilt einfach. Handwerklich begeistert schon die erste lange Kamerafahrt. Doch so blass spielen die Darsteller, dass sich die einem Realismus anbiedernden weiteren Bilder kein gutes Licht auf die jungen, eigentlich auch begabten Schauspieler werfen. Wenn Jim Sturgess als schüchterner Mathestudent seinen Traum vom Arztstudium an der Eliteuni Harvard nur noch von den hohen Studiengebühren abhängig macht und somit mit der Betrügerei anfängt und sofort Freunde und Moral über den Haufen wirft, auch die Befriedigung seiner Kommilitonen ebenfalls nur auf das Streben nach Reichtum glückt und Kevin Spacey als der Kopf hinter dem Ganzen eigentlich soviel Knete besitzen müsste, dass sich diese bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag nicht ausgeben lässt, dann fragt sich der Zuschauer: Wo ist der Sinn eigentlich in diesem vorhersehbaren Film?

Niemand verweigert einem Publikum den Drang zur Unterhaltung. Doch „21“ verweigert dies von Anfang bis Ende. Gelingt es anderen Glücksspielfilmen wie „Cincinetti Kid“ mit Steve McQueen oder Spielbergs wunderbarer „Catch me if you can“ mit dem Täuscher Leonardo DiCaprio, spannend bis zum Ende zu bleiben, auch überraschend zu sein, die 123 Minuten von „21“ waren eine Unterforderung des wissenden Publikums. Das die Anfangs Guten, nicht immer so bewertet werden müssen, war zwangsläufig zu erwarten. Und so verschieben sich die Sympathiepunkte während des Films auch von Spacey, dem ehemaligen Kartenauszähler, hin zu der von Laurence Fishburne gespielten Figur, dem Aufpasser im Casino und ebenfalls dem Einsatz der Berechnung des Spielchancen Fähigen.

Unfreiwillig komisch ist die Darstellung des jungen Mathegenies gelungen. Jim Sturges darf den ganzen Film als Einziger auf ein Fahrrad steigen. Wie sich zwanghaft so einfach die Armut des Jungen darstellen lässt, ist schon lächerlich. Denn realistisch einen Studenten abzubilden, der in einem System der Nichtfahrradfahrer unterwegs ist, sollte auch in Hollywood möglich sein. Aber scheinbar reichte es an der Kinokasse. „21“ ist kein überschlagender Erfolg, macht aber wirtschaftlich Sinn. Leider muss man sagen. Dieser Film hätte auch von MGM sein können. Hätten sie ihn bloss vor der Übernahme gedreht. Ein kleiner Erfolg neben der James Bond-Reihe wäre ihnen vergönnt. Auch hätte Regisseur Brett Ratner schönere, glänzendere Bilder gefunden. So wirkt der Film nur krampfhaft europäisch realistisch, ohne aber aus dem unreflektierten, amerikanischen Traum aufzuwachen.Geschrieben von Björn Buß