Arvids Kolumne: „It’s not a war“

In einer lauen Sommernacht stehen die beiden auf dem von Grün umrankten Balkon und schauen sich tief in die Augen, während sich vor ihnen das flimmernde Lichtermeer der Großstadt auftut.

 „Du bist meine einzige große Liebe. Ich werde dich nie verlassen.“ – „Ich werde dich auch nie verlassen. Nichts wird uns je voneinander trennen.“ In inniger Weise umarmen sie sich und entschwinden den Blicken des Zuschauers. Dies ist die sinngemäße Wiedergabe einer Szenerie, wie sie scheinbar klassischer in Hollywood nicht seinen könnte: zwei junge Menschen, die sich ihre Liebe gestehen. Doch aus der Sicht des klassischen Hollywood hat die Sache einen Haken: ebenso gleich wie ihre Gedanken sind auch ihre Geschlechter.
Homosexualität im Film ? Wir leben doch in einer „offenen Gesellschaft“ und Schwule tauchen doch heute in jeder Komödie auf – ja sie tauchen auf, doch inwieweit sind sie es, die den Film bestimmen; bestimmen im Sinne der Selbstidentifikation? Sicher gibt es Leute, die sich in „Der bewegte Mann“ in Joachim Król wieder finden. Der eigentliche Protagonist dieses Films war jedoch der heterosexuelle Til Schweiger, der für die meisten die Vorbildfunktion übernahm. Unsereiner hätte sich wohl am ehesten in dieser ?Männerselbsthilfegruppe? wieder gefunden, aber egal.
Mit dem frei wiedergegeben Dialog zwischen Alexander und Hephaistion über den Dächern von Babylon wird man nun mit der Situation konfrontiert, dass der eigentliche Fixpunkt eines Filmes ein Mann ist, der das weibliche Geschlecht nur (mehr oder weniger) funktional betrachtet. Darüber hinaus handelt es sich nicht um eine „nette Beziehungskomödie“ sondern um das, was mit einem „Heldenepos“ tituliert wird. Ein schwuler Held?
Was Wolfgang Petersen in „Troja“ grobschlächtig umschifft hat, tritt bei Oliver Stone unter dem Aspekt der „historischen Korrektheit“ zutage. Die sexuellen und ethischen Weltanschauungen der Antike werden in einer vermeintlich realistischeren Weise umgesetzt, als es in den tradierten „Historienschinken“ der Fall ist. Stanley Kubrick wurde seinerzeit gerügt, als er in „Spartakus“ dies nur andeutete.
Während die homophilen Beziehungen offen ausgebreitet werden und damit keine Rücksicht auf das konservative Publikum genommen wird, ist die ethische Auseinandersetzung mit dem antiken Denken etwas inkonsequenter. Zum einen legt der alte Aristoteles ein Verständnis von über- und unterlegenen Rassen dar, zum anderen werden durch Ptolemaios die unzähligen Sklaven in Alexanders Heer gewürdigt, die in der antiken Sozialstruktur keiner Erwähnung wert waren. Das permanente Hadern mit der „political correctness“ lässt den Zuchauer ständig zwischen Verständnis und Aversion schwanken.
Während diese Ambivalenz bei dem „gebildeten“ europäischen Zuschauer zumindest ansatzweise Interesse zu wecken vermag, bleibt die Sympathie bei der eigentlichen amerikanischen Zielgruppe verborgen. Auch wenn es ihnen, von der biederen Kanzel des „amerikanischen Wertebewusstseins“ herab, nicht von vornherein untersagt werden sollte, in diesen „unsittlichen“ Film zu gehen (und sich stattdessen erneut die „korrekte“ „Passion Christi“ anzuschauen), werden die meisten Besucher hinterher kaum das Interesse aufbringen, den möglichen Unterschied zwischen Seleukiden und Sukkulenten zu erforschen.
Was der gemeine Zuschauer will, ist das „wahre Bild“ des Helden. Jemand der am Ende stirbt, hat höchstens eine Erlöser- aber keine Identifikationsfunktion. Erlöser (salvatores) sind im christlichen Verständnis ja schön und gut, deshalb ist der „Gladiator“ so erfolgreich. Aber ein schwuler Christus – das schmeckt den wenigsten.
Salvatur bedeutet „erlöst werden“, doch der Kinogänger möchte in der Imagination aktiv teilhaben; er will ein siegreicher Held sein. Zweifel und Schwäche gehören zwar dazu, um die Identifikation leichter zu machen, jedoch ist es der Sieg über einen unerbittlichen Feind und ein Siegespreis (der sich häufig bereits vor der entscheidenden Schlacht durch die leidenschaftliche Hingabe erkenntlich zeigt, wie es in „Last Samurai“ oder „King Arthur“ konstruiert wurde), der einem letztendlich vor Augen schwebt.
Ob beispielsweise George Lucas im Mai mit „Star Wars – Episode III“ und dem „Fall“ (lapsus) des Anakin Skywalker zur „dunklen Seite der Macht“ mehr (materielles) Glück als Oliver Stone haben wird, bleibt abzuwarten – zumindest muss er sich nicht das Joch der „Historizität“ auferlegen.

Geschrieben von Arvid Hansmann

m. trifft … Klaus Zeidler

Abteilungsleiter „Studentisches Verpflegen“ – unter anderem für die Universität Greifswald

Alter? 41 Jahre.

Länge?
1,81 Meter.

Sternzeichen? Skorpion.

Genaue Berufsbezeichnung?
Abteilungsleiter Studentisches Verpflegen.

Was hat Sie nach Greifswald geführt? Eine Zeitungsannonce. Man guckt was man finden kann.

Wie viele Stunden hat ihre Arbeitswoche? Normalerweise 40 Stunden. Dazu kommen noch 20 Überstunden im Monat – offiziell. Deshalb können es aber auch mal 50 Stunden die Woche sein, je nach Aufwand und wie es sich lohnt.

Wie lässt sich ihre Tätigkeit in drei Sätzen beschreiben?
Ich bin für vier Mensen und Caféterien verantwortlich. Vor allem für die technische und bauliche Unterhaltung der Gebäude. Dafür geht 50 Prozent der Arbeitszeit drauf. Aber auch das Einkaufen übernehme ich.


Wie viele Studenten essen denn jeden Tag bei ihnen Mittag?
Ungefähr 2000 bis 2200 Studenten in der Vorlesungszeit. Inder Spitze hatten wir auch schon 2800. In den Semesterferien sind es weniger, ungefähr 1200 bis 1400 Studenten.

Wer kocht bei ihnen zu Hause? Das ist aufgeteilt. Meine Frau kocht asiatisch, weil sie mal mit asiatischen Köchen zusammen gearbeitet hat. Und Fisch macht sie auch besser. Alles was mit Fleisch, Hausmannskost und experimentieren zu tun hat mache ich.

Was ist ihr Lieblingsessen? Ich habe kein Spezielles.

Was ist ihr Lieblingsfilm? Der mit dem Wolf tanzt

Welches Handwerk würden Sie gerne beherrschen?
Schreiner. Holz ist ein geiler Werkstoff. Er verzeiht keine Fehler. Da muss man perfekt arbeiten. Außerdem habe ich mal bei einem Schreiner zur Untermiete gewohnt.

Was würden Sie gerne mal studieren?
Wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, Philosophie und Geschichte – einfach so aus Spaß. Und Sprachen. Damit kann man immer etwas anfangen.   

Wo würden Sie gerne leben?
In Portugal! Der Norden und die Mitte sind sehr schön. Dort gibt es das Meer, Wälder und einen heißen Sommer. Außerdem sind die Menschen sehr sehr nett.

Waren sie schon mal im Mensaclub?
Oh ja, schon öfters…ich bin dort schon ein paar mal versackt…

Ihr Lieblingstier?
Wale. Die können die Welt mit ein paar Schwimmbewegungen durchqueren. Außerdem ist es ein riesen Tier und schadet trotzdem seiner Umgebung nicht.

Was liegt auf ihrem Nachttisch?
Ein Buch über Tramper, Rocker, Hippies und die Gegenbewegung in der DDR.

Haben Sie einen Lieblingsplatz in Greifswald?
Schwierig. Wenn ich Besuch kriege gehen wir über den Markplatz. Dort zeige ich ihnen Bilder von vorher um ihnen die positive Entwicklung der Stadt zu zeigen.

Geschrieben von Florian Benckenstein, Christina Schmidt

Zwischen Erzgebirgsimitat und Geisterbahn- Der Weihnachtsmarkt in Greifswald

Mitte Oktober. Ahnungslos bummelt man durch den Supermarkt, geht in Gedanken den Speiseplan fürs Wochenende durch (Tiefkühlpizza oder doch lieber Instant-Pasta?) – und plötzlich springen sie einen an: Armeen von Weihnachtsmännern! Wie jedes Jahr bevölkerten diese drollig-hässlichen Geschöpfe in rot, blau, grün oder orange so auch im jungen Herbst des Jahres 2004 bereits die Regale.

Diese Perversion des Einzelhandels ist alt, man kennt es nicht anders und hat sich daher damit abgefunden. Die Weihnachtszeit beginnt sowieso erst mit Advent und dem Weihnachtsmarkt, über den man nach einem stressigen Tag flanieren kann. Im Gedränge schließt man die  Augen, atmet den Duft von Glühwein, Maronen und gebrannten Mandeln ein, lauscht den Klängen der Weihnachtsevergreens, bereitet dem wohligen Schwindel von den alkoholischen Heißgetränken ein Ende, indem man die Augen wieder öffnet und sich zwischen gemütlichen Essens- und Handwerksständen wiederfindet.

Ein Idyll, zugegeben. In Greifswald sieht das Bild leider ein wenig anders aus. Ein Gedränge gibt es in der Regel nicht, weil es nichts zu sehen gibt (jedenfalls keine geschmackvolle Handwerkskunst). Die Sinne kommen deswegen jedoch trotzdem nicht zu kurz: Glühweinduft wird ergänzt durch wabernde Schwaden von Fettgeruch, wahlweise des Grills oder des Schmalzgebäcks. Das Ohr erfreut sich an fröhlicher Weihnachtsmusik, die von den Warn- und Beschleunigungsgeräuschen des ?Breakdancers? sowie den freundlichen Ansagen des Fahrers und hysterischen Schreien der weiblichen Fahrgäste untermalt wird, während das Auge zu differenzieren versucht, ob nun der Weihnachtsbaum oder doch die Geisterbahn im helleren Glanz erstrahlt. Aber auch die Schaukästen des angedeuteten Märchenwaldes verstehen es zu fesseln, mit ihren liebevoll gestalteten Szenen und Figuren, die schon lange keinen Puppendoktor mehr gesehen haben.

Reize für alle Sinnesorgane sind vorhanden, aber das ist noch nicht alles. Dem hungrigen Besucher bietet sich darüber hinaus auch eine breite kulinarische Auswahl: Spanferkel, Crêpes, Asiatisch und natürlich süße Leckereien – für jeden dürfte zumindest eine Fressbude vorhanden sein. Und wer eine kleine Unterhaltung sucht, bekommt diese zumindest vom freundlichen Muzenbäcker vor der Sparkasse gratis dazu. Die Verkäufer von gebrannten Nüssen und Kernen aller Art sind allerdings fast ebenso sozial.

Ist der Hunger erst gestillt, gibt es ausreichend Langeweilekiller, für die der Begriff ?kirmesähnliche Massenbespaßung? nicht übertrieben sein dürfte. Ärgerlich nur, dass ein Student, der eine Woche lang von 50 Euro leben will, nach sechs Fahrten in Autoscooter, Geisterbahn oder Breakdancer ein Viertel seines Budgets los ist. Haushalten ist eben alles, das lehren uns Politik und Eltern seit jeher, ohne sich dran zu halten. Wieso sollten wir es also anders machen.

Was jedoch wäre ein Markt ohne Waren? Diese finden sich in Greifswald kurioserweise außerhalb des eigentlichen Spektakels. Neben Kleidung, Schafsfellen, Kochgeschirr und Schmuck findet sich sogar Handwerk. Die Freude darüber ließ mich fast meine Stil- und Geschmacksansprüche vergessen, beim genaueren Betrachten aber stellten sich die Erzgebirgsimitationen als lieblos, minderwertig und überteuert heraus. Das konnte auch die Bauchtanzausrüstung am Nachbarstand nicht wettmachen. Also wird das einzige, was ich dieses Jahr vom Weihnachtsmarkt behalte, eine geklaute Glühweintasse sein.

Etwas distanzierter betrachtet (und das ist das eigentlich Tragische) passt dieser Weihnachtsmarkt gut zu dem Bild, das sich die langsam aussterbende Spaßgesellschaft von Weihnachten erhalten hat. Man bekommt offenbar nicht nur Präsidenten, sondern auch Weihnachtsmärkte, die man verdient…

Geschrieben von Katja Staack

Der Turm

Mittelerde ist passé, Elbisch längst tote Sprache, Frodo und Aragon von gestern. Kaum hat der Tolkin’sche Ring sich geschlossen, ist neuerlich der literarische Kampf zwischen Gut und Böse ausgebrochen.

Diesmal beschrieben vom Meister der Alptraumfiktion, Stephen King. ?Der Turm? verkürzt nun die Nächte seiner Fans, die lange warten mussten, um die siebenteilige Saga um Roland, den Revolvermann beendet zu sehen. Um es vorwegzuschicken: UNERTRÄGLICH! Froh, dass ich nur den letzten Teil dieses maßlos unoriginellen Zyklus lesen musste (Lebenszeit um knapp zehn Stunden verkürzt), enttäuscht darüber hinaus die Schalheit der erschaffenen Welt, das Schema, dem der ?moderne Klassiker? King willkürlich oder schlimmer noch unwillkürlich zu folgen scheint. So spielt sein Endzeitszenario in einen Raum zwischen Matrix und Wirklichkeit, Mittwelt und ?Lichtung am Ende des Pfades?. Dabei stehen Roland und seinen Gefährten(!) niedere Menschen, Vampire erster, zweiter, dritter Klasse, Altvordere und die diversesten Kuscheltierfriedhofmutanten gegenüber. Ergänzt mit erfundenen Sprachen, mit Fabulierbegriffen wie Dan-Tete, Ka-Dinh, `Rizas kreirt der Autor ein Universum, in dem der Schöpfer selbst nicht fehlen darf. Aufgerieben zwischen Killerkämpfen und philosophischem Gedöns light zerbröselt alle Materialität der Helden zu Puzzlestücken der Beliebigkeit. Stephen King hat der Geschichte der Fantasieromans nichts hinzuzusetzen, ?Der Turm? ist das Abziehbild eines Abziehbilds eines Abziehbilds eines Klischees. Nachgerade weise begleitet King den Abschluss seiner Romanfolge mit den Worten: ?Ende ist nur ein anderes Wort für Adieu.? Wie wahr, wie gut, wie dankbar!                                     

Geschrieben von Britta Voß

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod

?Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod – Ein Wegweiser durch den Irrgarten der deutschen Sprache? – So heißt das Buch, in dem Bastian Sick die SPIEGEL- ONLINE-Kolumne ?Zwiebelfisch? zusammengefasst hat.

 ?Willkommen im Todestal des Genitivs! Dieses Buch wird ihnen als Reiseführer auf einem abenteuerlichen Rundgang durch die Wildnis der deutschen Sprache dienen? wird der Leser im Vorwort begrüßt. Hört sich gut und interessant an. Mit Sicherheit hat so manche Uneinigkeit, was das ?richtige? Schreiben oder Sprechen, zu zahlreichen Diskussionen geführt und eine Lösung wurde nicht gefunden. Heißt es zum Beispiel das Apfelmus oder der Apfelmus, darf man italienische Substantive wie deutsche deklinieren oder wie weit kann man Adjektive steigern?
Bastian Sick zeigt in seinen Kolumnen zahlreiche Kuriositäten in der Alltagssprache auf und mit unter gibt er hilfreiche Hinweise, wie man seinen Ausdruck verbessern kann oder einige Fauxpas vermeiden kann. So findet man eine Tabelle mit problematischen Fremdwörtern in Einzahl und Mehrzahl. Denn die Deutschen haben die Angewohnheit Substantive aus anderen Sprachen ohne weiteres in die deutsche Grammatik einzufügen. Das führt dann zum Aha-Effekt und man erinnert sich an die Rechtschreibstunden in der Schule.
Aber manchmal sind die Argumentationen von Sick etwas unzulänglich. Wenn er darüber diskutiert, ob man sagen darf ?etwas macht Sinn? und zu dem Schluss kommt, dass ?Sinn und machen einfach nicht zusammen passen?, dann sei dem gegenüber gestellt, dass Deutsch keine statische Sprache ist. Ein Merkmal einer jeder Sprache ist es, dass sie sich in einem ständigen Wandel befindet und es immer wieder neue Redewendungen gibt oder Wortbedeutungen sich ändern. Bedenklich wäre es eher, wenn sich unseres Sprache nicht verändern würde, zu mal es nicht DAS richtige Deutsch gibt, sondern immer nur Variationen.
Dennoch ist das Buch von Bastian Sick leicht zu lesen und bietet ein amüsantes Lesevergnügen in diesen trüben Tagen. Schmunzeln muss man mit Sicherheit, entdeckt man sich an so mancher Stelle wieder.

Geschrieben von Verena Lilge